Knapp drei Jahre nach seinem vorzeitigen Tod bedenkt Orfeo den in Südafrika geborenen Tenor Johan Botha mit einer weiteren Veröffentlichung in der Reihe Wiener Staatsoper live: Italian Opera Arias (Orfeo C 967192). Wie der Name schon andeutet, handelt es sich bei dieser Doppel-CD um Arien der italienischen Komponisten Giuseppe Verdi (die komplette erste CD), Umberto Giordano, Pietro Mascagni, Ruggero Leoncavallo sowie Giacomo Puccini. Diese Tondokumente entstanden, wie in dieser Edition üblich, als Live-Mitschnitte aus der Wiener Staatsoper, konkret in den Jahren 1998 bis 2007, also gleichsam von den Anfängen bis zum Zenit von Bothas Karriere.
Die akustisch nicht unproblematische Staatsoper ist auch der Grund, wieso diese Mitschnitte des Österreichischen Rundfunks klanglich nicht übermäßig brillieren – freilich ein altbekanntes Problem, welches man in Kauf zu nehmen bereit ist. Sie vermitteln ein ungeschöntes Bild vom Renommee dieses bedeutenden Sängers, der hier an der Seite von Krassimira Stoyanova, Violeta Urmana, Agnes Baltsa, Dmitri Hvorostovsky, Renato Bruson und Leo Nucci agiert.
In seinen späten Jahren wurde Botha immer mehr auf seine Rolle als Wagner-Tenor reduziert. Dass dies nur ein unvollständiges Bild seiner vollen Bandbreite wiedergibt, lässt sich anhand dieser lobenswerten Neuerscheinung in allen Facetten nachvollziehen. Stimmlich war Botha auch sehr dramatischen Partien wie dem Otello gewachsen, wie die umfangreichen Auszüge aus dieser Oper belegen (darunter das Duett Già nella notte densa mit der bezaubernden Stoyanova als Desdemona). Freilich wurden die Highlights berücksichtigt, so Celeste Aida aus Aida, E lucevan le stelle aus Tosca und das unvermeidliche Nessun dorma aus Turandot. Es ist indes hervorzuheben, dass auch weniger bekannte Opern wie I vespri siciliani (hier tatsächlich in der italienischen Fassung) großzügig bedacht wurden. Hingegen ist der deutlich berühmtere Don Carlo lediglich mit einer Nummer vertreten (Io l’ho perduta – È lui! Desso l’Infante!). Dass insbesondere Bothas Otello in Sachen Verdi im Mittelpunkt steht, hat seinen guten Grund, denn immerhin sang er diese Partie am Haus am Ring 23-mal – den Don Carlo hingegen nur achtmal.
Eine überragende Partnerin hat Botha mit Agnes Baltsa auch im Duett Tu qui, Santuzza? aus Cavalleria Rusticana. Als Turiddu hörte man Botha in Wien insgesamt siebenmal, einmal öfter als in I Pagliacci, woraus unter anderem das Finale inkludiert wurde. Keine Rolle des italienischen Repertoires neben Verdi sang Botha an der Wiener Staatsoper so häufig wie die des Cavaradossi aus Tosca – insgesamt 15-mal. Mit elfmal liegt der Andrea Chénier allerdings nicht weit dahinter. Dass Botha den Calaf nur neunmal gab, mag aus heutiger Sicht beinahe verwundern, war er doch einer der intelligentesten Rollenvertreter der jüngeren Zeit, der sich weder durch Kraftmeierei allzu stark in den Mittelpunkt stellte noch durch allzu lyrische Gestaltung gegenüber der dominanten Titelrolle abfiel.
Insgesamt eine Bereicherung für alle Bewunderer von Johan Botha, die bereit sind, Aufnahmen unter Live-Bedingungen mit Publikums- sowie bühnenüblichen Störgeräuschen zu akzeptieren. Daniel Hauser