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Die Recitals der Schweizer Sopranistin Regina Mühlemann bei ihrer Stammfirma Sony zeichnen sich stets durch interessante Konzeptionen aus. Nach ihrer Sammlung von Cleopatra-Arien erschien jetzt ein Album mit dem Titel Fairy Tales (19439986672). Aufgenommen im November 2021 im schweizerischen Boswil, vereint es Szenen mit Feen, Elfen und Nixen aus der Geisterwelt, begleitet vom Ensemble CHAARTS in speziellen, von Wolfgang Renz gefertigten Arrangements, die ein transparentes Klangbild ergeben.
Mit einem berühmten Titel beginnt die Anthologie – Rusalkas „Lied an den Mond“. In dem filigranen Gewebe kann sich der Sopran von Regina Mühlemann zart und poetisch entfalten, bezaubert mit träumerischem Ausdruck. In der originalen Orchesterbesetzung würde er sich wahrscheinlich noch nicht genügend durchsetzen können, aber für die Zukunft ist die Partie auf jeden Fall eine Option für die Sängerin. Nicht weniger populär ist die folgende Nummer – die Barcarolle aus Offenbachs Les Contes d’Hoffmann, die in Wahrheit aus seinen Rheinnixen (Les fées du Rhin) stammt und wegen des Misserfolgs dieser Grand Opéra Einzug in den Venedig-Akt des Hoffmann fand. „Komm zu uns und sing und tanze“ ist der wiegende Chor der Elfen betitelt, den die Solistin mit Delikatesse ausbreitet. Später stellt sie noch die Eröffnung dieser Szene vor – das nächtliche Feen-Solo „Alles hüllt sich in Dunkel“, welches die Anthologie gebührend spukhaft beendet.
Der Barcarolle folgen zwei französische Komponisten – Jules Massenet mit seiner Aschenputtel-Oper Cendrillon, aus der die Arie der guten, hilfreichen Fée („Ah! Douce enfant“) erklingt, und Adolphe Adam mit seinem Feen-Ballett La filleule des fées, aus dem ein Flöten-Solo („The Pink Fairy“) vorgestellt wird. Die erste Nummer wird flirrend eingeleitet und bezieht ihren Reiz aus ätherischem Melos und Koloraturgeglitzer. Sie zeigt prägnant die beiden Möglichkeiten der Stimme – feine Lyrik und virtuoses Zierwerk. Das zweite Stück als kurzes instrumentales Intermezzo ist ein huschender nächtlicher Spuk.
Nicht fehlen in einer solchen Zusammenstellung darf Ninettas zauberhafte Arie „Ninfe! Elfi!“ aus dem letzten Akt von Verdis Falstaff. Hier hört man eine ideale Interpretation von verträumter Stimmung mit zarten, duftigen Tönen. Von der Romantik wandert Mühlemann zurück in den Frühbarock und singt aus Monteverdis Achtem Madrigalbuch das Lamento della Ninfa („Amor, amor“). Es ist dies ein besonders feinsinniger Beitrag, der mit seiner sanften Melancholie berührt. Ein halbes Jahrhundert später erlebte eines der erfolgreichsten Werke Purcells seine Uraufführung: The Fairy Queen. Daraus hat die Sopranistin das ergreifende Klagelied „O let me weep“ ausgewählt und ist im munteren Duett „Turn then thine eyes“ sogar in akustischer Verdopplung zu hören. Purcells Landsmann Benjamin Britten ist mit seiner Komödie A Midsummer Night’s Dream vertreten, aus der Mühlemann in zauberischer Stimmung zwei Soli der Elfenkönigin Titania vorträgt. In „Be kind and courteous“ bittet sie ihre Elfen, sie in den Schlaf zu singen, in „Come, now a roundel“, freundlich zu dem verzauberten Zettel zu sein. Auch Felix Mendelssohn Bartholdy widmete sich Shakespeares Sommernachtstraum mit einer Schauspielmusik, doch hat Regina Mühlemann aus dem Oeuvre des Komponisten das geschwind vorbei huschende Lied „In dem Mondenschein im Walde“ aus seinen Sechs Gesängen op. 19a ausgewählt. Als Abschluss erlebt der Hörer noch eine Reise in den Norden mit der Geisterwelt von Edward Grieg. Aus seiner Schauspielmusik zu Ibsens Peer Gynt stellte der Komponist eine Suite zusammen. In diesen Instrumentalstücken haben die elf Instrumentalisten der Kammermusik-Vereinigung Gelegenheit, feinste Stimmungen zu zaubern sowie nordische Schwermut und das Lokalkolorit der geisterhaften Trolle einzufangen. Die Solistin singt aus der Schauspielmusik zwei Lieder der Solveig mit sanfter Tongebung und nimmt danach noch Griegs „En Svane“ nach Ibsens gleichnamigem Gedicht ins Programm. Es beruht auf der Legende, dass ein Schwan nur ein einziges Mal in seinem Leben singt – im Angesicht des Todes. Grieg kleidete das in fragile Töne, welche die Sopranistin stimmungsvoll wiedergibt. Bernd Hoppe