Gut daran getan hat Berlin Classics, die CD mit Orchester-Liedern von Richard Strauss, gesungen von Michaela Kaune, aus dem Jahre 2006 mit einem leicht veränderten, frischeren Cover wieder auf den Markt zu bringen. Die Aufnahme besticht nach wie vor durch die Frische und Natürlichkeit, die eine Raffinesse und Virtuosität in der Interpretation nicht ausschließt, sondern diese auf eine höhere Ebene als die von reiner Bewältigung technischer Schwierigkeiten stellt. Bereits beim Bundeswettbewerb für Gesang, aus dem die Sängerin als Siegerin hervorging, hatte man nicht nur die Schönheit des Timbres und die technische Perfektion der Darbietungen bewundert, sondern war vor allem durch die Fähigkeit überrascht worden, wie überzeugend und selbstverständlich sich der Sopran in Charaktere wie den der Agathe, die alles andere als „modern“ zu sein scheinen, einzufühlen wusste. Auch im weiteren Verlauf der Karriere waren es immer wieder die „altmodischen“ Mädchen- und Frauengestalten gewesen, die die Kaune überaus überzeugend und wahrhaftig zu gestalten wusste, so eine Arabella, eine Jenufa oder eine Marschallin.
Auch die Strauss-Lieder, von denen die CD bekannte und weniger vertraute und vom Text her teilweise heikle vereint, erscheinen in der Interpretation von Michaela Kaune wie der allernatürlichste Ausdruck von Empfindungen, seien es die einer jungen Mutter in Wiegenliedern oder die eigentlich für eine Männerstimme gedachten. In Traum durch die Dämmerung gefallen die leichte Emission der Stimme, die den verhaltenen Ton im Piano über große Bögen hinweg durchhalten kann und über „mildes Licht“ einen feinen Schimmer legt. In Wiegenlied erfreuen die Ebenmäßigkeit in den Stimmfarben, das stufenlose An- und Abschwellen des Tons und seine durchgehende Frische. In Meinem Kinde ist der innige Ausdruck, den die Stimme annimmt, besonders berührend. Von großer Feierlichkeit, aber ohne falsches Pathos, ist der Gesang der Apollopriesterin gekennzeichnet, in dem das Strahlen der Stimme schön mit dem Aufblühen des Klangs im Orchester, der NDR Radiophilharmonie unter Eiji Oue, korrespondiert. Fein variiert wird in Allerseelen das „wie einst im Mai“, bei den dramatischen Teilen von Ruhe meine Seele bleiben die Konturen fein und klar, hat der Sopran für „lichter Sonnenschein“ ein helles Strahlen. Cäcilie zeichnet sich durch eine zunehmende Steigerung der Ausdrucksintensität aus, eine schöne Klarheit Mein Auge. Selten hört man ein so farbiges, so konstant durchgehaltenes Piano wie in Waldseligkeit, vokaler Glanz liegt in Morgen! auf „die Glücklichen“ ein leichter Schleier auf „Schweigen“, die Diktion allerdings leidet manchmal unter dem Bemühen, mit rein klanglichen Mitteln ein Höchstmaß an Empfindung zu erreichen. So blüht die Stimme in Befreit auf „oh Glück“ auf, nimmt bei dessen letzter Wiederholung aber eine dunkle Schattierung an.
Den letzten Teil der CD nehmen Strauss‘ Vier letzte Lieder ein, bei denen in Frühling schwerelose Klanggirlanden gewunden werden, in September die Stimmfarben perfekt auf die des Orchesters eingestellt sind, in Beim Schlafengehen sich der Sopran wie schwerelos in höchste Höhen schraubt und in Im Abendrot dem Erstaunen in der letzten Zeile jede Farbe entzogen wird. Berührender kann man diesen Zyklus kaum singen (BC 0300624BC).
Ingrid Wanja