Fest etabliert im deutschen Fach, zumindest was die Studioaufnahmen betrifft, hat sich Anna Netrebko, nachdem sie auf der Bühne, debütierend in Dresden, zumindest die Elsa gesungen hat. Auf ihrer neuesten CD kommen noch Tannhäuser-Elisabeth, Isolde und Ariadne dazu, das Cover scheint Coronazeiten angepasst, wenn die schöne Sängerin schwarze Fingerlinge und eine ebensolche Maske über Kinn und Unterlippe trägt, was wiederum zum Titel Amata dalle Tenebre, also Geliebt von den Finsternissen, passt. Da erwartet man eigentlich eine Lady Macbeth, die auch bereits zum Repertoire des Soprans gehört, es beginnt aber mit Ariadne auf Naxos und ihrem „Es gibt ein Reich“, zu dem die dunkle, wie schmerzumflorte Stimme sehr gut passt, die die deutschen Konsonanten etwas aufweicht, so dass die Arie leicht verwaschen klingt, die Höhe niemals scharf oder schneidend, aber stählern und unangefochten gestaltet, und im „allein“ ist viel von Verzückung, die Stimme scheint in der reichen Musik zu baden. Da ist es erstaunlich, dass Elsas „Einsam in trüben Tagen“ von mädchenhafter Klarheit ist, weniger, dass die Stimme „zu gewalt’gen Tönen“ machtvoll anschwellen kann. Eher die tapfere Elisabeth am Ende des zweiten Akts als die zarte Jungfrau zu seinem Beginn tritt mit der Hallenarie auf, der fordernde Jubelton passt dann aber sehr schön zum Schluss der Arie, „weilt er ferne mehr“ ist leider bis zur Unkenntlichkeit vernuschelt. Gegenüber einer so großartigen Stimme wie der der Netrebko verstummen die Bedenken, die man gegen die Aufnahmen einzelner Arie aus Partien hat, die noch nicht auf der Bühne gesungen wurden. So geht es dem Hörer wohl auch mit Isoldes Liebestod, der hier ganz verhalten beginnt, einen ersten Höhepunkt im „leuchtet“ findet, agogikreichst gestaltet und klug eingeteilt wird und wo man am Schluss doch sich des Eindrucks nicht erwehren kann, die Rolle in ihrer Ganzheit sei noch nicht vollkommen erfasst.
Eher stilistisch anfechtbar ist die Aufnahme von Purcells Dido mit „Thy hand, Belinda“, wo zwar eine instrumentale Führung der Stimme gelingt, aber man sich doch wünscht, es ginge weniger getragen zu.
Ganz in ihrem Fach ist Anna Netrebko natürlich im Italienischen, das sie mit „Ritorna vincitor“ von Aida vorstellt. Bereits das Einsetzen des Scala-Orchesters unter Riccardo Chailly bringt den Hörer zum wohligen Erschauern, die lodernde Dunkelheit des Soprans, seine schöne Melancholie, so bei „Ah, non fu in terra mai“, das farbige Piano ab „Ma la mia prece“ und der schöne Flötenton für „Numi, pietà“ in vielen Variationen sind einfach zum Entzücken. Auch für die Carlos-Elisabetta stehen La Netrebko unendliche Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung, viel vokale Zärtlichkeit für „la Francia“, eine eherne Stimme für die Ausbrüche der Verzweiflung, ein dumpfes letztes „signor“. Auf zwei Verdi-Arien folgen zwei von Puccini, so Butterflys „Un bel di“, das so leicht und zart wie Schmetterlingsflügel beginnt, weitgespannte Bögen ausmalt und die Vision der armen Japanerin immer kraftvoller sich entfalten lässt. Manon Lescaut dokumentiert in ihrer Sterbeszene eine üppig Puccinistimme, in dunkler Entsagung im „Tutto è finito“. Verismo erklingt auch in Adriana Lecouvreurs „Poveri fiori“, denen die Sängerin „soave e forte“ gleichermaßen angedeihen lässt.
Natürlich darf auch eine russicshe Partie nicht fehlen. Für Lisas letzte Arie aus Pique Dame kann der Sopran Mädchenhaftes wie dramatische Wucht aufbieten, eine überaus reiche Stimme, die bruchlos an- und abschwellen kann, und die letzten Takte scheinen schon nicht mehr von dieser Welt zu sein. Mit dem opernerfahrenen Orchester der Mailänder Scala und dem Dirigenten Riccardo Chailly hat die Ausnahmesängerin natürlich auch die bestmöglichen Begleiter an ihrer Seite. Die CD ist, von kleinen Mängeln abgesehen, alles in allem ein Hochgenuss (Deutsche Grammophon 486 0531). Ingrid Wanja