Händels „leibhafte Teufelinn“

 

 

Gefürchtet für ihre exzentrischen Divenallüren war die Sängerin Francesca Cuzzoni – eine der legendären Interpretinnen von Händels großen Frauengestalten. Mit ihrer CD bei Ramée (RAM 1501) erinnert die französisch-marokkanische Sopranistin Hasnaa Bennani an Händels berühmte Primadonna, vom Komponisten selbst als „leibhafte Teufelinn“ tituliert. Die Auswahl von neun Arien enthält natürlich die jener Partien, welche die Cuzzoni kreierte. Da ist vor allem die Cleopatra aus Giulio Cesare, deren ergreifendes „Se pietà di me non senti“ die Vokalbeiträge eröffnet. Die Sängerin lässt einen jugendlichen, apart getönten Sopran hören, der zwar noch nicht die letzte Reife für diese großen Heldinnen besitzt, aber stilistisch perfekt eingesetzt wird und mit interessanten Auszierungen aufwartet. Cleopatras Rezitativ gestaltet sie sehr empfindsam, die Arie voller Schmerz und Trauer. In Scipione, der zwei Jahre nach dem Cesare, also 1726, zur Uraufführung kam, war es die Partie der Berenice, welche der Cuzzoni den Erfolg brachte. Besonders mit der virtuosen Arie „Scoglio d’immota fronde“ am Ende des 2. Aktes konnte sie glänzen. Auch Bennani brilliert hier mit mühelosen Koloraturgirlanden von rasantem Tempo.

Einer von Cuzzonis spektakulärsten Triumphen war die Titelrolle in Rodelinda, die vor allem mit ihren schmerzlichen Klagegesängen große Wirkung erzielt. Auf der CD erklingen „Ombre, piante“ und „Se’l mio duol“ – von der Interpretin mit innigem und bewegendem Ausdruck vorgetragen. In Tamerlano war es die intrigante Figur der Asteria, welche dem schillernden Naturell der Diva besonders entsprach. In „Non è più tempo“ vermag auch Bennani mit kokettem Duktus beschwingte Wirkung zu erzielen. Die Teofane in Ottone war 1723 die erste Händel-Partie, welche Cuzzoni nach ihrer Ankunft in London kreierte und mit der Arie „Falsa imagine“ triumphierte. Diese ist ein getragenes, introvertiertes Solo, welches vor allem großes Einfühlungsvermögen in den Seelenzustand der Figur erfordert. Bennani erfüllt diesen Anspruch beachtlich. Als 1726 eine weitere italienische Sopranistin, Faustina Bordoni, in London verpflichtet wurde, musste sich die Cuzzoni bei der virtuosen Nummer der Rossane, „Nò, più soffrir non voglio“, in Alessandro mit der Rivalin messen. Auch Bennanis Sopran funkelt hier gebührend. Nach dem legendären Streit mit der Bordoni waren die Laodice in Siroe und die Seleuce in Tolomeo, beide 1728, die letzten Rollen der Cuzzoni in London. Ihr Stern war gesunken. Mit „Or mi perdo di speranza“ aus dem ersteren Stück konnte sie noch einmal ihre Virtuosität demonstrieren, und auch Bennani brilliert hier mit erregtem Zierwerk, was den aufgewühlten Seelenzustand der Figur plastisch ausmalt. Seleuces „Torni amor la pace“ in der Art eines Menuetts als Abschluss der Arien-Auswahl könnte mit seiner Melancholie auch Cuzzonis letzter Wunsch gewesen sein.

Kompetent begleitet wird die Solistin von dem belgischen Ensemble Les Muffatti unter Leitung von Peter Van Heyghen, das auch in mehreren Instrumentalbeiträgen – der Ouverture und Marcia aus Scipione, dem Concerto aus Ottone, der Ouverture aus Tolomeo sowie dem Ballo di Larve und der Sinfonia aus Admeto – starke Akzente setzt mit seinem impulsiven und straffen Musizieren, dem festlichen Bläserglanz und gravitätischen Ernst. Hasnaa Bennani folgt mit ihrer Veröffentlichung dem Album von Simone Kermes (La Diva) bei Berlin Classics, das ebenfalls der Cuzzoni gewidmet war. Im Vergleich mit der deutschen Kollegin wirkt sie solider und kultivierter, weniger exaltiert und manieriert, entspricht damit aber wahrscheinlich weniger dem historischen Vorbild. Bernd Hoppe