Gezwitscher im Wettstreit

 

Gerade hatte Nuria Rial bei dhm/Sony eine CD unter dem Titel Vocalise mit Kompositionen von Heitor Villa-Lobos und Bernat Vivancos veröffentlicht, da legt die Firma eine Platte ganz anderer Art nach: Baroque Twitter (88985497582). Im Dialog und Wettstreit mit dem Flötisten Maurice Steiger interpretiert die katalanische Sopranistin Arien, welche verschiedene Barockkomponisten nach Inspiration  durch Vogelstimmen geschrieben hatten. Sehr oft war in diesen Schöpfungen neben der menschlichen Stimme ein Soloinstrument gleichberechtigt eingesetzt.

Den Auftakt der Auswahl bildet eine Arie der Engelberta, „Usignolo che col volo“,  aus Andrea Stefano Fiorès gleichnamiger Oper (uraufgeführt 1708 in Mailand). Sie ist zum einen von tänzerischem Charakter, zum anderen bringen die gedämpften hohen Streicher auch eine träumerische Atmosphäre ein. Rial verleiht dem Flehen der traurigen Königin an die Nachtigall, zu ihrem fernen Geliebten zu fliegen, berührenden Nachdruck. Die Stimme ist von kristalliner Klarheit, hat aber auch an Wärme und Körper gewonnen. Steger untermalt den Gesang mit feinsten Zwitschertönen.

Melancholisch gibt sich die Titelheldin in ihrer Arie „Rondinella che dal nido“ aus Leonardo Vincis Oper Ifigenia in Tauride (Venedig, 1725). Sie wurde für die legendäre Primadonna Faustina Bordoni komponiert, woraus sich ihr virtuoser Zuschnitt erklärt. Die Sopranistin beweist hier, dass ihre Stimme trotz der gewachsenen Fülle nicht an Flexibilität verloren hat. Die Streichinstrumente beschreiben den Flug der Schwalbe und das begleitende Kammerorchester Basel malt diese Assoziation  unter Leitung von Stefano Barneschi plastisch aus.

Francesco Gasparinis Serenade L’oracolo del fato wurde im Auftrag von Prinz Filippo Hercolani als Geburtstagshuldigung für Elisabetta Cristina von Brunswick-Wolfenbüttel komponiert. Stimme und Flöte begrüßen in der Arie „Bell’augelletto che vai scherzando“ freudig den Sonnenaufgang.

Ein weiteres Bravourstück, da für den berühmten Kastraten Farinelli geschrieben, ist die Arie des Nicomede, „Amorosa rondinella“, aus der gleichnamigen Oper von Pietro Torri. Hier sind virtuose Koloraturgirlanden und langer Atem für schier endlose legato-Passagen gefordert. Die Solistin wird diesen Ansprüchen staunenswert gerecht. Die folgende Arie des Epicide, „Zeffiretti che spirate“, aus der Oper Eraclea von Tomaso Albinoni (Genua, 1705) ist dagegen ein getragenes Stück, welches das sanfte Wehen des Windes beschreibt.  In der Arie des Araspe „L’augelletto in lacci stretto“ aus Johann Adolf Hasses Oper Didone abbandonata sind Sängerin und Flötist dann wieder herausgefordert, sich gegenseitig an Virtuosität zu übertreffen. Der Wettstreit endet unentschieden, denn keiner steht dem anderen an Bravour nach.

Natürlich darf in einem solchen Album Antonio Vivaldi nicht fehlen. Und mit Barzanes „Quell’usignolo ch’al caro nido“ aus seiner Oper Arsilda regina di Ponto ist es natürlich auch eine Nachtigallen-Arie. Nuria Rial klingt hier besonders charmant und trägt das Stück mit Delikatesse und Koketterie vor. Der letzte Vokalbeitrag der Anthologie stammt aus Alessandro Scarlattis Serenade Il giardino d’amore. Die Arie des Adone „Più non m’alletta e piace“ schildert die Sehnsucht des Adonis, der sich nach der Göttin Venus verzehrt.

Dass Programm der Platte wird ergänzt durch einige Instrumentalbeiträge, in denen Maurice Steger mit seinem Flautino oder der Blockflöte brillieren kann.

Francesco Mancinis Sonata 14 in g-Moll entstand möglicherweise im Zusammenhang mit seiner Lehrtätigkeit am Conservatorio di S. Maria di Loreto in Neapel. Die vier Sätze sind kontrastreich angelegt und wechseln zwischen einem beschaulichen Comodo, der präzise ausgearbeiteten Fuga, einem sinnenden Larghetto und dem abschließenden Allegro, in dem der Solist mit seinem spitzen Ton etwas manieriert wirkt.

Das Concerto in a-Moll für Flautino und Streicher von Charles Dieupart entstand um 1720 wahrscheinlich in London. Die drei kontrastreichen Sätze sind eher der Form der Sonate als des Solokonzertes verpflichtet. Zum Abschluss noch einmal Vivaldi mit seinem Concerto in F-Dur RV 442, dessen drei Sätze allesamt Bearbeitungen von Opernarien aus seiner Feder darstellen. Das Allegro mà non molto stammt aus La costanza trionfante, das Largo e Cantabile aus La virtù trionfante und das Allegro aus Orlando finto pazzo.

Nach dem Vorgänger-Album „Birds“ mit Dorothee Mields und Stefan Temmingh ist auch dieses sehr gelungen und eine Kaufempfehlung wert. Bernd Hoppe