Geradezu jubeln tat ich bei der Besprechung des Ur-Faust Gounods vom Palazzetto jüngst, denn Benjamin Bernheim schien mir der Gott-gesandte Tenor des (französischen) Fachs zu sein. Seine strahlende Höhe, seine unglaubliche ardeur, seine beste Diktion und seine Rolleneignung des ungestümen und auch bedenkenlos seiner Hose ebenso wie seinem Herzen folgenden jungen Mannes hatte ich so in langer Zeit nicht mehr gehört. Erzfranzösisch.
Hélas. Die neue und erste Arien-CD (bei DG) wird dem nicht immer gerecht. Vielleicht ging´s bei der Aufnahme 2018 zu schnell zu. Vielleicht – und ganz bestimmt – wurden manche Stücke unter dem etwas lustlos klingenden Emmanuel Guillaume mit dem Prager Philharmonischen Orchester zu oft wiederholt, bis Tontechniker, Dirigent und ermüdeter Tenor zufrieden waren. Egal – die Arien fallen in ihrer Wirkung und Bewältigung eklatant auseinander. Manches ist wunderbar – so der Traum des Des Grieux (Manon), der unglaublich sanft, zärtlich, visionär und pianissimo-mezza-voce-gesungen wird, wo die ganz gelungenen Kopftöne (so unentbehrlich für das französische Repertoire) wie kleine Perlen fallen. Auch der Nemorino ist so angelegt, schmachtend, zärtlich. Godards Dante betört mit Wohlklang.
Anderes eben nicht. Der anfängliche Werther bleibt blass und wenig ossianisch. Roméo könnte liebeskranker und stürmischer sein (und bekommt vom Orchester keine rauschhafte Unterstützung). Da fällt der Vergleich mit Roberto Alagna nicht zu Gunsten Bernheims aus, der eben doch recht nichtssagend bleibt (wenngleich natürlich höhensicher und bestens in der Diktion). Der Edgardo (Lucia di Lammermoor) ziemlich ungerührt vom Schicksal seiner Geliebten. Lenski und Berlioz´ Faust nicht wirklich memorabel (im Vergleich zu Gedda oder Verreau). Auch der Gounodsche Faust wiederholt für mich nicht die magische Wirkung des Palazzetto. Alfredo, Duca oder auch Rodolfo (Luisa Miller) sind mehr als ordentlich, mit strahlender Höhe, sicuro (ma ci sono anche altri…)
Aber ich stelle auch für mich fest, dass die Stimme eigentlich recht wenig Persönlichkeit besitzt, nicht sofort wieder erkennbar ist, blass bleibt im Timbre-Eindruck. Unter – eben – Druck verdickt sie sich, namentlich in der Mitte. Sehr viel Metall in der mittleren und hohen Lage kündigt sich an (wie jüngst für mich zu viel in der Pariser Traviata..), um die dramatischen Partien zu bewältigen. Auf Kosten der Süße des Tons, den ich so beim Palazzetto-Faust bewunderte). Und was ich auch entdecke und was mich bei Sängern immer stört ist dieses gewisse Einschleifen in den Ton, soft palate, wie bei z. B. Thomas Hampson im Gegensatz zu Thomas Allen. Besonders in den Parlando-Passagen fällt mir bei Bernheim der sich ankündigende Ansatz zum weichen Gaumen auf.
Dennoch – vieles auf der neuen CD des young-and-coming Helden der internationalen Opern-Szene berechtigt zu großer Freude. Lange nicht mehr gab es einen jungen Tenor mit so scheinbar müheloser, strahlender Höhe, mit so fabelhafter Diktion und so gutem technischem Singen. Ausdruck ist was anderes, auch was Individuelles. Aber manches geht eben auch schnell, vielleicht zu schnell: Alfredo an der Pariser Oper jüngst, Wien, Berlin, Chicago, die Met – alles scheint nun möglich. Die glamourös gestylte Website Bernheims ziert eine Rolex-Zeit-Uhr. Und die internationale Karriere ist bereits unterwegs (wie man youtube entnehmen kann). Ich hole meinen Palazetto-Faust heraus und schwelge… (Benjamin Bernheim: Arien/ Werther, L´Elisir d´amore, Roméo et Juliette, La Traviata, Eugen Onegin, Rigoletto, Manon, Lucia di Lammermoor, Faust, Luisa Miller, Dante, La Damnation de Faust, La Bohème; Prague Philharmia, Dirigent Emmanuel Villaume; DG 483 6078). Geerd Heinsen