Nun endlich lieferbar nach langer Warteschleife und angesichts seines umjubelten Auftritts als Vasco da Gama in Frankfurt doppelt willkommen: A Fool For Love heißt die erste Platte des amerikanischen Tenors Michael Spyres, die er 2010 in Moskau für DELOS aufgenommen hat und dabei vom Moscow Chamber Orchestra unter Constantine Orbelian zuverlässig begleitet wird (DE 314). Nach seinem Debüt als Rodolfo in La bohème bei einer Tournee-Produktion des Opera Theatre Saint Louis gelang ihm 2006 als Jaquino in Fidelio am Teatro San Carlo Neapel der Einstieg in die internationale Opernkarriere. Schon früh trat er beim Festival Rossini in Wildbad auf und etablierte sich bald als Spezialist für den Gesangsstil dieses Komponisten, was ihn natürlich auch zu den Festspielen nach Pesaro, der Geburtsstadt des Komponisten, führte.
In seinen Anfängerjahren sang Spyres die typischen Rollen des tenore di grazia-Repertoires – Conte Almaviva im Barbiere oder Nemorino im Elisir d’amore. Beide zählen zu jenen Figuren, die närrisch vor Liebe sind, was auch auf die anderen Helden auf dieser CD zutrifft. Musikbeispiele aus diesen populären Werken – Almavivas virtuoses „Cessa di più resistere“ und Nemorinos schwärmerisches „Una furtiva lagrima“ – finden sich natürlich auf der CD, die mit Tonios „Ah! mes amis“ aus Donizettis Fille du régiment beginnt, einem Bravourstück par excellence, das nicht weniger als neun hohe Cs erfordert. Spyres absolviert sie in bewundernswerter Manier, serviert die Arie mit hinreißendem Schwung. Ähnlich souverän gelingt ihm die anspruchsvolle Schluss-Szene des Edgardo aus Donizettis Lucia. Die Stimme klingt in all diesen Ausschnitten noch sehr jugendlich und hell, verströmt den gebührenden Charme und die Zärtlichkeit eines jungen Liebhabers.
Zeugnisse der Vielseitigkeit von Spyres sind Don Ottavios „Il mio tesoro“ aus Mozarts Don Giovanni, Lenskis wehmütiges „Kuda“ aus Tschaikowskys Eugen Onegin, Toms „Here I stand“ aus Stravinskys The Rake’s Progress und die wegen ihrer heiklen Tessitura gefürchtete Arie des Italienischen Sängers „Di rigori armato“ aus dem Rosenkavalier von Strauss. In nicht weniger als fünf Sprachen ist der Solist auf der CD zu hören. Mit Rodolfos „Che gelida manina“ aus Puccinis La bohème und dem Lamento des Federico „È la solita storia“ aus Cileas L’Arlesiana finden sich auch gelungene Ausflüge in anspruchsvolles lyrisches Repertoire. Und nicht zuletzt sind die Beiträge aus dem französischen Fach von Bedeutung, hat Spyres doch live Offenbachs Hoffmann sowie mehrere Partien von Rossini und Meyerbeer gesungen. In der Anthologie sind Nadirs „Je crois entendre encore“ aus Bizets Les pecheurs de perles und Werthers „Pourquoi me réveiller“ aus der gleichnamigen Oper von Massenet vertreten. Sie beweisen die spezielle Eignung des Tenors für dieses Fach, denn er weiß seine Stimme betörend zu führen und mit delikaten Kopftönen zu bezaubern.
Als Encore serviert Michael Spyres noch den Schlager „Dein ist mein ganzes Herz“ aus Lehárs Das Land des Lächelns und krönt damit seine staunenswerte Vielseitigkeit. Inzwischen hat der Tenor vor allem bei Opera Rara und Naxos in mehreren Gesamtaufnahmen mitgewirkt und auch Porträts aufgenommen. Seine Africaine/ Vasco da Gama von der Oper Frankfurt wurde für Oehms Classics mitgeschnitten. Dieses Debüt bei DELOS war das große Versprechen, das er später glänzend zu bestätigen wusste. Bernd Hoppe