Daniel Behle ist ein renommierter Mozart-Interpret und auch im Liedgesang erfahren. Schuberts Zyklen Die schöne Müllerin und Winterreise gehören zu den Kernstücken seines Repertoires. Jetzt hat er bei der deutschen harmonia mundi eine CD mit Schubert-Arien herausgebracht, welche das begleitende L’Orfeo Barockorchester unter Michi Gaigg mit Ouvertüren des Komponisten ergänzt (89854 07212). Der Sänger bewegt sich mit diesem Programm auf vertrautem Terrain, hat er doch in Opern der deutschen Hoch- und Spätromantik (Wagner, Humperdinck und Strauss) bereits bedeutende Erfolge errungen. Dass er sich nun Werken des als Opernkomponisten noch immer unterschätzten Franz Schubert widmet, ist verdienstvoll und hoffentlich ein Beitrag zur dessen Rehabilitierung.
All diese Arien, in denen es um jungmännliche Gefühle geht – Schwärmerei, Liebesverlangen, Sehnsucht, Hoffnung –, verlangen eine schlanke, flexible Stimme, die dennoch leidenschaftliche Empfindungen auszudrücken vermag. Verzierungen sind dagegen weniger gefragt, ging es in Schuberts Werken doch um die Hinwendung zum Drama im Sinne der griechischen Tragödie, weg von der gesanglichen Virtuosität des Belcanto-Stils.
Die erste Romanze aus dem Zauberspiel von 1820 Die Zauberharfe mit dem Wortlaut „Was belebt die schöne Welt? – Liebe nur verschafft ihr Leben“ steht als Motto über der Arienauswahl. Behle stellt sie in der Konzertfassung als Weltersteinspielung vor und lässt in diesem emphatischen Gesang seinen wohllautenden, kultivierten Tenor hören. Aus dem Jahre 1815 stammt das Fragment des Singspiels Claudine von Villa Bella, aus welchem die Arie des Pedro „Es erhebt sich eine Stimme“ erklingt. Sie behandelt die Entscheidung zwischen aristokratischer Karriere und einem glücklichen Leben auf dem Lande, verweist schon auf das tenorale Zwischenfach. Im selben Jahr entstand das Singspiel Die Freunde von Salamanka, aus dem der Tenor zwei Szenen ausgewählt hat. Die galante Arie des Tormes „Aus Blumen deuten die Damen gern“ ist eine weitere Premiere auf CD, Diegos Romanze „Es murmeln die Quellen“ ein lieblich wiegendes Stück mit lyrischer Substanz.
Eine veritable Rarität ist das Singspielfragment Adrast von 1819/20, aus dem zwei Arien des Titelhelden zu hören sind. Schubert verlangte von den Interpreten seiner Werke, dass deren Stimme ans Herz dringen müsse. Genau das gelingt Behle mit seinem liedhaft-schlichten Vortrag.
Gelegentlich aufgeführt wird das szenische Oratorium Lazarus (1820), aus dem die Arie des Nathanael „Wenn ich ihm nachgerungen habe“ vorgestellt wird.
Auch Alfonso und Estrella (1821/22) steht zuweilen auf den Spielplänen, ebenso wie Fierrabras von 1823. In Alfonsos Arie „Schon, wenn es beginnt zu tagen“ hat der Tenor exponierte Töne zu meistern, was Behle mühelos gelingt. Sehr gelungen ist die Gegenüberstellung von zwei verschiedenen Tenorrollen in Fierrabras – Eginhards sanfte Romanze „Der Abend sinkt“ und die aufgewühlte Arie des Titelhelden „In tief bewegter Brust“ mit ihren Ausflügen in dramatische Gefilde. Der letzte Titel der Auswahl, die Arie „Der Tag entflieht“ aus der Opéra comique Das Zauberglöckchen, offeriert eine weitere Seltenheit und Ersteinspielung. Gesungen wird sie von Azolin, der, um die Prinzessin Palmira zu erobern, die eigene Mutter in Gefahr bringt. Dieser Konflikt gestaltet sich musikalisch in einer turbulenten Szene mit heldischem Anflug, mündend in eine bravouröse Stretta mit exponiertem Schlusston. Der Tenor Franz Rosner, für den sie komponiert wurde, war danach der Interpret des Max in Webers Freischütz, was für den Anspruch dieser Musik spricht.
Mit drei Ouvertüren trägt das von Michi Gaigg 1996 gegründete und auf historischen Instrumenten musizierende L’Orfeo Barockorchester zur Vielfalt des Programms bei. Aus der Zauberharfe erklingen die zum 1. Akt mit ihren gewichtigen Einleitungsakkorden, denen ein Weber nahes, lebhaftes Allegro vivace folgt, sowie die zum 3. als stürmisches Allegro ma non troppo mit heftiger dramatischer Steigerung. Davon ist auch die Ouvertüre zu Alfonso und Estrella bestimmt, deren energischen Gestus die Dirigentin plastisch formt, wie sie überhaupt Schuberts musikalischem Sturm und Drang jederzeit gerecht wird. Bernd Hoppe