Bereits der erste Blick auf die Trackliste von Christiane Kargs neuer CD Portrait lässt stutzen: Amoretti und Heimliche Aufforderung, das hatte man doch in Zusammenhang mit ihr bereits einmal wahrgenommen. Und richtig, im Booklet klärt die Sängerin den Leser darüber auf, dass es sich um die Titel von „the best of“ dreier bereits veröffentlichter CDs handelt, neben den beiden bereits genannten noch die mit dem Titel Verwandlung. Die nochmalige Veröffentlichung begründet sie damit, dass sie die Hörer auf „kommende Vorhaben einstimmen“ wolle, zudem gibt sie sich rücksichtsvoll mit der Bemerkung, sie wolle „fordern ohne zu überfordern“ und meint mit den einzelnen Nummern „Ergebnisse des Stöberns in Bibliotheken und Archiven“ vorzulegen, was man bei Titeln wie äußerst bekannten Liedern von Strauss, Schubert und Schumann bezweifeln mag, was auch bei Glucks Iphigenie kaum zutrifft, eher schon den hier anzutreffenden Werken Grétrys und Schrekers gerecht wird.
Es beginnt mit Clara Schumanns Er ist gekommen, das eine helle Mädchenstimme hören lässt, die sehr expressiv, sehr kontrastreich eingesetzt wird. Für Richard Strauss‘ Heimliche Aufforderung hat der Sopran den angemessenen Silberglanz, setzt auch hier auf einen ausgeprägten Gegensatz zwischen „heimlich“ und „strahlend“, zwischen leise Verklingendem und Rauschhaftem. In des Komponisten Morgen setzt die Stimme wie aus dem Schlaf erwachend ein, mit zartestem Beginn, wenn auch leicht manieriert. Strauss gibt der Sängerin mit Befreit auch die Möglichkeit, ein sehr schönes Piano zu zelebrieren und einen ebensolchen Schwellton. Er ist noch einmal mit Allerseelen vertreten, in dem sich eine schön ausgekostete elegische Stimmung mit außergewöhnlicher Dramatik abwechselt. Die Lieder sind alle gut bekannt, doch die Texte hätte man, da die Diktion, bei Strauss nicht unbedingt den Sängern anzulasten, nicht durchweg die beste ist, gern im Booklet gehabt, mehr noch bei den fremdsprachigen und dazu noch tatsächlich unbekannten Stücken.
Gluck ist zweifach vertreten. Als Iphigenie in Aulis lässt Christiane Karg mit keuschem, anmutigem Klang die Stimme rein und ruhig fließen, in Sacre Piante wird sie angenehm instrumental geführt. Französisch wird es mit Grétrys Arie aus Silvain, in der der Sopran sicher Intervalle meistert, eine gute Mittellage und eine große Beweglichkeit hören lässt und ungemein deliziös klingt.
Jeweils einmal sind Schubert, Schumann, Wolf und Schreker mit Liedern vertreten, wobei Herbst agogikreich und damit sehr eindringlich interpretiert wird, Schumanns Frühligsnacht ausgesprochen emphatisch dargeboten und Wolfs Christblume mit zarter Empfindsamkeit bedacht wird.
Eine ideale Mozartstimme offenbart sich in Amoretti aus La finta semplice, zu der auch das aparte „Etwas“ des Timbres und der verspielt unangestrengte Ton sehr gut passen. Ein besonders reizvolles Stück ist Mendelssohns Ah, ritorna età dell’oro, in dem der Sopran und die Violine einander sehr schön ergänzen und das perfekte Legato besonders auffällt.
Die Begleiter sind Malcolm Martineau für Strauss, Burkhard Kehring für die romantischen Lieder und für die Arien das Ensemble Arcangelo unter Jonathan Cohen (Berlin Classics 0300788BC). Ingrid Wanja