.
Ein doppeltes Rätsel gibt da Cover der neuesten CD von Daniel Behle dem Betrachter auf: Was hat ein Operntenor heute noch neben einem Schalltrichter von vor über hundert Jahren zu suchen und warum heißt es anstelle von Belcanto nun behl canto!? Nun, der deutsche Tenor war schon immer zu Scherzen aufgelegt und zudem ein Meister im Überschreiten von Grenzen, setzte er selbst sich auch nicht die eines Interpreten, sondern ist zugleich Schöpfer mit einer Operette wie Hopfen und Malz oder vielen Stücken für Bläser, studierte er doch selbst neben Gesang und Komposition auch das Spiel auf der Posaune. Nun gibt es im Bereich der klassischen Musik kaum Neues und zugleich Stimme und Ohren gleich angenehm Singbares, was liegt also näher, als sich des Alten zu bedienen, es mit einer neuen Begleitung, hier das Alliage Quartett aus Piano und vier Saxophonen, zu ummanteln und so aus einem deutschen lyrischen Tenor einen gestandenen Sänger von gleichermaßen Blumen- wie Sternenarie erstehen zu lassen. Dabei sind die meisten Arien in der Originalsprache geblieben, einige werden aber auch, und das mit erstaunlichem Effekt, wie ganz früher in Deutsch gesungen, was ganz unterschiedliche Wirkungen erzeugt. Behle selbst begründet die jeweilige Wahl der Sprache mit seiner Experimentierfreudigkeit, genauso stark aber dürfte die Freude am Lavieren „zwischen Augenzwinkern und tiefer Empfindung“ gewesen sein, das Spiel mit Farben und Nuancen.
Zu den deutsche gesungenen Titeln gehören Klein-Zack und O sole mio mit völlig unterschiedlichem Ergebnis. Während ersterer, besonders wenn so wunderbar textverständlich gesungen, die einzig richtige Wahl zu sein scheint, gerät die neapolitanische Canzone zur kitschtriefenden, kaum genießbaren Schmonzette un
d macht das Stück für lange Zeit für den erschrockenen Hörer ungenießbar. Das hört sich schon beinahe wie ein Racheakt an allen bisher sich in der musikalischen Sonne Italiens sich aalenden.Tenöre an.
Interessant ist das Verhältnis zwischen Stimme und Orchester, bei Klein-Zack hüllt es die Stimme liebevoll ein, bei Gounods Faust unterstützt es Intimität und Individualität, und der Spitzenton am Ende der Arie gereicht jedem französischen Tenor zur Ehre. Allgemein ist die Stimme Behles dem französischen Fach nicht abhold, gerät Nadirs Arie auf dem dunklen orchestralen Grund so ätherisch wie bisher selten gehört. Das trifft übrigens auch auf die Blumenarie aus Carmen zu, die aus dem Kontrast zwischen allerfeinstem Schluss und eher martialischem Beginn eine besondere Wirkung erzielt.
Mit allen technischen Wassern gewaschen ist die in halsbrecherischem Deutsch gesungene La Danza, nach dunkelglühender Einleitung durch das Orchester zeigt E lucevan le stelle, zwar in Italienisch, aber ohne das dazu gehörende Legato, parodistische Züge. Immer wieder kann man bewundern, wie durch ganz leichte Akzentsetzung völlig neue Hörerlebnisse wachgekitzelt werden. Nie sollte der Hörer zu dem Trugschluss kommen, ihn Irritierendes sei nicht lausbubenhafte Absicht des Sänger gewesen.
Kalaf offenbart einmal mehr, wie blödsinnig ein deutscher Text sein kann, Canio hingegen ist zugleich Parodie und Über-Verismo, von dem sich das Orchester in feiner Schlankheit distanziert. Bonisolli würde erblassen, könnte er die Stretta des Manrico in dieser Version hören, in der Solist und Orchester einander an Dramatik zu übertreffen versuchen.
Die CD überzeugt durch vielerlei Meriten: Sie beweist, dass Daniel Behle auch singen könnte, was man ihm bisher nicht angeboten hat, sie zeigt, wie eine diverse Orchesterbegleitung ganz neue Seiten altvertrauter Musik vermitteln und das man mit klassischer Musik sehr viel Spaß haben kann. Mit dem Booklet übrigens auch, aus dem mehr oder weniger düstere Herren mit Schnurr- oder Voll- oder keinem Bart dem Betrachter ernst entgegen schauen, wahrscheinlich aber auch ihren Spaß an der Umgestaltung ihrer Musik hätten (Prosporo 124/Foto oben Daniel Behle/ © Marco Borggreve/ Edel Classics ). Ingrid Wanja
