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Baroque Arias from the Shadows hat die Berliner Mezzosopranistin Laila Salome Fischer beim Randlabel Perfect Noise eingespielt. Scenes of Horror ist der Titel des Albums. Die Aufnahmen dafür entstanden im Dezember 2022 im Schloss Köthen (PN 2023). Die Komponisten sind Händel, Ariosti, Graun und Vivaldi. Die Sängerin wird inspirierend begleitet vom Ensemble Il Giratempo unter Leitung von Max Volbers.
Als Auftakt erklingt die dramatische Szene der Storgé aus Händels Jephta, welche der Platte den Titel gab: „Scenes of Horror, Scenes of Woe“. Die Gattin Jephtas wird hier von dunklen Vorahnungen über das Schicksal der Tochter heimgesucht, die geopfert werden soll. Laila Salome Fischers Mezzo wirkt für diese Szene etwas leicht, entbehrt der Fülle in der Tiefe und des expressiven Nachdrucks.
Von Händel finden sich noch drei weitere Titel im Programm – allesamt berühmt und als cavalli di battaglia vieler renommierter Händel-Interpretinnen legendär. Ariodantes „Scherza infida“ aus der gleichnamigen Oper ist eine Herausforderung für jede Sängerin wegen der emotionalen Abgründe, die in diesem Stück durchmessen werden. Dem Suizid nahe, schildert der Titelheld hier seinen unermesslichen Schmerz im Glauben, dass seine geliebte Ginevra ihn betrogen habe. Die Interpretin hinterlässt hier stärkeren Eindruck durch eine reiche Farbskala mit auch fahlen Momenten. Eine Bravour-Nummer für jeden Mezzo (oder Countertenor) ist Ruggieros „Sta nell´ Ircana“ aus Alcina. Die Arie ist von heroischem Zuschnitt, muss der Held doch gegen das Heer der Zauberin Alcina kämpfen. Fischer kann hier ihr virtuoses Vermögen demonstrieren, zudem die Verve, welche das Orchester vorgibt, aufnehmen und mit einer schwungvollen Interpretation aufwarten.
Mit Dejaniras Recitativo accompagnato „Where shall I fly!“ aus dem Oratorium Hercules markiert eine Komposition Händels auch das Finale der Anthologie. Hercules´ Gattin verfällt in den Wahnsinn, als sie erfährt, dass sie ungewollt schuldig ist am Tod ihres Mannes. Zwar fehlt auch hier (wie bei Storgé im ersten Titel) die Substanz in der Tiefe, doch wartet die Sängerin mit einer Fülle von Vokalverfärbungen und Ausdrucksnuancen auf, welche das Stück zu einer plastischen und lebendigen Szene werden lassen.
Zwei Arien des Montezuma aus Grauns gleichnamiger Oper schildern die existentielle Situation des Aztekenkönigs vor seiner vom Konquistador Cortés angeordneten Hinrichtung. „Ah, d´inflessibil sorte“ ist eine Klage über sein Schicksal, in „Sì, corona, i tuoi trofei“ hat er sich damit abgefunden und ist willens, erhobenen Hauptes in den Tod zu gehen. Das erste Solo wird durch ein erregtes Rezitativ eingeleitet, welches die Sängerin beeindruckend formt, und mündet dann in einen flehentlichen, kultiviert vorgetragenen Gesang. Der zweite Titel wird bestimmt durch einen energischen Duktus und beherzte Koloraturen.
Weniger bekannt ist der Komponist Attilio Ariosti, der von 1666 bis 1729 lebte. Aus seiner in Berlin uraufgeführten Oper La fede ne´ tradimenti erklingt die Arie des Fernando „Questi ceppi“, in welcher der Inhaftierte seiner geliebten Anagilda beteuert, dass die Ketten für ihn alle Schrecken verloren haben. Hier ist ein inniger Ton gefordert, den die Sängerin perfekt einbringt.
Das Programm wird ergänzt von zwei Instrumentalnummern aus der Feder Vivaldis. Die dreisätzige Sinfonia aus der Oper L´Olimpiade ist ein Klanggemälde, welches die dramatischen Szenen der Handlung – ein Mordkomplott, ein Suizidversuch, ein Todesurteil – vorweg nimmt. Das Ensemble Il Giratempo entfesselt hier Sturmgewalten mit den aufgewühlten Streicherfiguren und gezielt gesetzten Affekten. Schreckgespenster der Nacht beschwört der Prete rosso im viersätzigen Concerto „La Notte“ g-Moll herauf. Das Ensemble setzt auch diese plastisch um – sei es mit den stockenden Akkorden im einleitenden Largo, dem sich fast überschlagenden Presto-Tempo in Fantasmi oder den Dissonanzen im finalen Allegro. Bernd Hoppe