Aus Wiener Schatztruhen

 

Die Opern des österreichischen Barockkomponisten Johann Joseph Fux (1660 – 1741) sind heute nahezu vergessen. Einzig als Schöpfer sakraler und instrumentaler Werke ist der Musiker, der ab 1698 bis zu seinem Tod als Wiener Hofkomponist tätig war, noch bekannt. Umso verdienstvoller ist die Initiative von PAN CASSICS, mit einem Recital (aufgenommen im September 2020 im österreichischen Stift St. Florian) an das musikdramatische Schaffen des Tonsetzers zu erinnern. Am Wiener Hof dominierte er neben Bononcini, Ariosti und Caldara das Musikleben, seine Arien wurden von legendären Primadonnen (wie Maria Landini-Conti, Kunigunda Sutter, Regina Schoonians, Faustina Bordoni, Ursula Theresia Holzhauser) gesungen. Neun Sopranarien aus Opern und Oratorien sind auf dem neuen Album, das mit  Arias for the Emperor betitelt ist, versammelt (PC 10425). Interpretiert werden sie von Maria Ladurner, einer auf Alte Musik spezialisierten Sängerin. die das Biber Consort begleitet. Das neunköpfige Ensemble hat in der einleitenden Sinfonia aus Giunone placata (1725) Gelegenheit für differenziertes Musizieren zwischen Lyrismen und Affekten. In der Arie der Emilia, „Sì, vendetta io voglio far“, aus Julo Ascanio, der ersten erhaltenen Oper von Fux (1708), kann es mit dramatisch erregten Figuren aufwarten, welche die Gefühle der zwischen Hass und Liebe gespaltenen Heldin widerspiegeln. Und die Solistin der CD vermag mit expressiver Gestaltung und fast veristischen Einwürfen ein plastisches Profil der Figur zu umreißen. Die historische Interpretin dieser Partie, Kunigunda Sutter von Rosenfeldt, war 17 Jahre am Wiener Hof tätig und wirkte im Uraufführungsjahr von Julo Ascanio in sieben weiteren Fux-Produktionen mit, darunter in der Pastorale Eroico von 1710 La decima Fatica d’Ercole, aus dem die wehmütige Arie der Clori „Qual’ il sol in prato“ erklingt. Bemerkenswert ist, dass der Komponist dafür erstmals eine Besetzung für die Instrumente Chalumeau und Theorbe vorschrieb. In einem Primadonnenwettstreit traf die Sutter hier auf Maria Landini-Conti, die in allen Opern von Fux auftrat. Sie wiederum musste sich in Dafne in Lauro (1714) mit Regina Schoonians messen, die von 1717 bis 1740 am Wiener Hof angestellt war und in insgesamt zehn Bühnenwerken von Fux  mitwirkte. Daraus ist die Arie der Diana, „Il voler vincer Amore“, zu hören, die im französischen Stil komponiert ist und Dianas Botschaft an Apollo enthält, sich von seiner Liebe zu Dafne zu befreien. Mit klarer, obertonreicher Stimme vermittelt die Solistin eindringlich diese Botschaft. Eine von der Landini kreierte Partie ist die Titelheldin in Orfeo ed Euridice (1715), aus der „Rondinella, che tal volta“ ertönt – eine Gleichnisarie, die den flatternden Flug der Schwalben nachahmt. Die Sängerin kann hier mit brillanten Koloraturen ihr virtuoses Vermögen beweisen. Die legendäre, 1725 noch junge Faustina Bordoni brachte die Titelfigur in Giunone placata zum Leben. Deren Arie „Io non potea soffrir“ verzichtet gänzlich auf virtuose Koloraturen, setzt dagegen auf inniges Gefühl. Mit entsprechend starker Empfindung und reicher Farbigkeit singt Ladurner dieses Stück.

Drei Beispiele aus Oratorien ergänzen die Auswahl. Das früheste stammt aus dem Jahre 1716 und trägt den malerischen Titel Il Fonte della Salute aperto dalla Grazia nel Calvario. Die allegorische Figur in diesem Stück, La Grazia, war wiederum der Schoonians anvertraut. Zu hören ist die Arie „Vedi, che il Redentor“, mit Chalumeau und Altposaune erneut ungewöhnlich besetzt. Die expressiven Ausrufe sind an den Sünder gerichtet, der seine Schuld bereuen soll. Das späteste Werk (von 1728) nennt sich La Deposizione dalla Croce di Gesù Cristo Salvator Nostro und wird hier mit der Arie der Maria Maddalena, „Caro mio Dio“, vorgestellt. Deren Seufzerfiguren symbolisieren die impulsive Hinwendung zu Gott, die Begleitung der Stimme nur mit Oberstimmen ohne Bass verleiht ihr eine überirdische Leichtigkeit. Ladurner findet in ihrem Vortrag zu Keuschheit und Entsagung. Als letzter Titel erklingt eine Arie der Santissima Vergine („Sì tempra il mio martir“) aus Il Testamento di nostro Signor Gesù Cristo sul Calvario. Auch hier finden sich flehende Ausrufe, die Begleitung für Solovioline und Basso continuo ist von asketischer Strenge. Ladurners Stimme in berührender Innigkeit und mit leuchtenden Obertönen setzt damit einen stimmungsvollen Schlussakkord.

Die Musikauswahl bietet ein eindrucksvolles Zeugnis von der Pracht des Wiener Musiklebens am Hofe der Kaiser Leopold I., Joseph I. und Karl VI. Letzterer wurde 1723 auch zum Kaiser von Böhmen gekrönt. Die aus diesem Anlass in Prag aufgeführte Festoper Costanza e Fortezza fehlt hier leider – sie wäre in ihrer Monumentalität ein interessanter Kontrast zu den vorgestellten Werken gewesen. Bernd Hoppe