Gleich zwei berühmte und dazu noch sehr unterschiedliche Diven hat sich die australische Sängerin mit griechischen Wurzeln Elena Xanthoudakis als Vorbilder gewählt und will ihnen auf ihrer CD Jewels of the Bel Canto nacheifern: Maria Callas und Joan Sutherland. Letzteres liegt nahe, denn der Dirigent der Aufnahme ist niemand Geringeres als Richard Bonynge, ebenfalls Australier und mit der Aufnahme vielleicht auch vaterländische Pflichten erfüllend. Die Sopranstimme ließe sich auch überzeugender mit der von Dame Joan vergleichen als mit der der Callas, denn sie ist eher leichter Natur und ausschließlich, abgesehen von der Arie der Medora aus Il Corsaro, aus dem strengen Belcantorepertoire stammend. Die Sängerin hat einen der Aufsätze des Booklets selbst verfasst und erläutert darin, in welcher Weise sie gemeinsam mit dem Dirigenten, der Tradition des Belcanto folgend, mit Variationen, Kadenzen und zusätzlichen hohen Tönen zumindest die Wiederholungen einzelner Strophen bereicherte. In einem anschließenden Artikel rechtfertigt Philip Gossett dieses Vorgehen und führt Beispiele für eine ähnliche Arbeitsweise in der Vergangenheit an.
Auf der CD sind Partien aus Serie wie Buffe vertreten, und es beginnt mit Norinas „Quel guardo, il Cavaliere“, worin ein flexibler Sopran von silbrigem Klang dokumentiert wird, eher von der soubrettigen Seite kommend, mit leicht verwaschener Diktion, aber feinem chiaro–scuro-Wechsel. Es folgt die Verdi-Arie, deren Rezitativ eine gute Phrasierung zeigt, allerdings auch eine stärkere Vokalverfärbung auf „vento“, bei dem nicht nur wie empfohlen a gedacht, sondern eindeutig und klar gesungen wird. Zwar rechnet die Sängerin die Arie dem Belcanto zu, dem man nicht widersprechen will, aber trotzdem vermisst man etwas Wärme, es fehlt das lyrische Element , und der Gesang klingt geziert. Virtuosität und technische Perfektion mag man dem Sopran gern zugestehen, so auch in der Arie aus La fille du régiment, aber es klingt alles zu niedlich, nicht dem Thema angemessen, sogar etwas mehr Pikanterie würde dem Vortrag gut tun. Nicht recht glücklich wird man mit der ersten Arie der Lucia, die zu neckisch geschmäcklerisch begonnen wird, im weiteren Verlauf zu beiläufig plaudernd klingt und wenig vom Charakter der Figur durchschimmern lässt. Sehr schön sind die Koloraturen und eine unanfechtbare Stärke der Künstlerin. Insgesamt und nicht nur in dieser Partie vermisst man eine etwas stärkere Prägnanz des Singens. Die Leichtigkeit des Singens der Rossini-Arie aus Cambiale di Matrimonio erfreut den Hörer ebenso wie das Aufpeppen des Schlusses. Sanfter und wärmer im Timbre wünscht man sich die Arie der Bellini-Giulietta, deren Stimme nicht ideal zu den Instrumenten passt, immerhin trifft die Australierin in weiten Teilen den elegischen Ton des Stücks. Ihre Domäne dürfte aber das komische Fach sein, wie die Arie der Adéle aus Le Comte Ory, in der das kokette so Ein- wie Zweideutige gut getroffen ist. Auch Adinas „Prendi, per me sei libero“ ist schön gesungen, weil voll wehmütiger Zärtlichkeit, wozu die beachtlichen Verzierungen nicht ganz die Stimmung treffen. Als Sonnambula trifft der Sopran mit keuschem Ton das Zart-Sensible der Figur,, hier blüht die Stimme auf und flicht feine Tongebinde. Den Abschluss bildet die Finalarie der Matilde di Shabran mit hübschem Jubelgesang, in dem viel Zärtlichkeit mitschwingt und gar nichts vom Militärischen, in dem sich das Orchester auch ergeht. Richard Bonynge mit der Royal Northern Sinfonia zaubert die perfekte Begleitung, mit der auch seine Gattin zufrieden gewesen wäre (Signum Classics SIGC0374).
Ingrid Wanja