Selbst auf Brahms und insbesondere Die schöne Magelone eingefleischte Fischer-Dieskau-Fans könnten sich mit der neuen Aufnahme des Zyklus durch Daniel Behle anfreunden. Erfreulich ist zunächst schon einmal, dass es zwei CDs gibt, eine mit den allerdings gekürzten erzählenden Texten und eine ohne dieselben, dafür aber mit einigen anderen Brahmsliedern zusätzlich zum Zyklus.
Die aus dem Französischen stammende Geschichte vom provencalischen Grafensohn Peter und der neapolitanischen Prinzessin Magelone, die Ludwig Tieck in Anlehnung an eine deutsche Übersetzung des französischen Romans unbekannten Autors schrieb, ist zutiefst romantisch, nicht nur weil Ritter und ihre Abenteuer, Nacht und Waldeinsamkeit, fremde Länder und ersehnte Heimkehr aus ihnen der Stoff sind, sondern wegen der Form, die ein Zusammenwirken verschiedener Gattungen, hier Epik und Lyrik, anstrebt. Deshalb bleibt man den Intentionen der Schöpfer am ehesten treu, wenn man einen Sprecher zwischen den Liedern einschaltet, nicht zuletzt wegen des besseren Verständnisses, denn immerhin singen vier unterschiedliche Personen, Peter, Magelone, die Sultanstochter Sulima und der Erzähler zu Beginn, mit einer Stimme.
Der erste Sänger von Magelone-Liedern war ein Bariton, aber die Schilderung des Grafensohns Peter als ganz jugendliche, zarte Lichtgestalt lässt eigentlich trotz aller anderslautender Tradition eine lyrische Tenorstimme erwarten, kein viriles, dunkles Timbre. Daniel Behle scheint auch insofern der berufene Interpret zu sein, als er den dramatischen Ausbrüchen, die es durchaus gibt, gewachsen ist, auch wenn die Rollenpläne des Sängers mit Erik und Lohengrin etwas verblüffen. Am Beginn der CD ohne Erzähltext stehen ebenfalls Brahms-Lieder, so „Meine Liebe ist grün“, wo man das trunken Berauschte noch etwas vermisst, während bereits in „Juchhe!“ der vokale Aufschwung zu den „Wolken“ bemerkenswert ist, in „Dämmrung senkte sich von oben“ eine feine Lautmalerei zu hören ist, die „schwarzvertieften Finsternisse“ durch ein leichtes Verhangensein der Stimme deutlich werden, diese sich im Verlauf des Geschehens merkbar aufhellt, um auf „Zauberschein“ zu leuchten. In „Liebestreu“ sind die beiden Rollen fein voneinander abgehoben, während sich der Sänger in „Von waldbekränzten Höhen“ von der sich steigernden Intensität von Text und Musik mitreißen lässt.
Der Sprecher auf der zweiten CD ist Hans-Jürgen Schatz, dessen tiefe, leicht knarzende Stimme einen Kontrast zur hellen Singstimme bildet, dessen hörbares Atmen leider etwas stört. Bereits das erste Lied des Zyklus zeigt eine Tenorstimme mit auch sehr präsenter Mittellage, die sich in der Höhe schön entfalten kann und keine Passaggioprobleme kennt, auch wenn sie sich in der Höhe wohler fühlt. In „Traun!“ wird der jugendliche Übermut des Helden hörbar, in „Sind es Schmerzen“ erfreuen nach dem zarten Pianovorspiel (Sveinung Bjelland) die sorgfältig gesungenen Verzierungen, die sinnvollen Steigerungen nach einem etwas verhuschten „oh hört mich“. Für den Überschwang von „So willst du des Armen“ hat der Tenor strahlende Töne, für das folgende Lied ein feines Piano und schöne Rubati, einen deutlichen Kontrast zwischen trunkenem Staunen und Meditation, ehe es mit „immer breiter“ geradezu orgiastisch wird. Auch „Wir müssen uns trennen“ lebt u.a. von den Kontrasten zwischen dem Beginn und den erzern besungenen Waffen. Das rhythmische Sichwiegen des Refrains von „Ruhe, Süßliebchen“ ist ebenso gut erfasst und umgesetzt wie die innere Spannung, die trotz scheinbarer Eintönigkeit dem „Wie schnell verschwindet“ innewohnt. Das Trügerische von „Hoffnungsschein“ in „Muss es eine Trennung geben“ äußert sich in einem leicht dumpfen Klang, den auch die Konjunktive vorgeben. Stellenweise wie ein Choral klingt das Schlusslied, nachdem sich seine Emphase sich bis zu „Lust“ steigerte (Capriccio 5203).
Ingrid Wanja