„Ah, che pur troppo è vero“

 

Das spanische Recondita Armonia Ensemble um die kubanisch-spanische Gambistin Lixsania Fernández widmet sich dem jungen Georg Friedrich Händel, und zwar fünf Kompositionen, die zwischen 1707 und 1718 entstanden: zwei Sonaten und drei weltlich-mythologische Kantaten. Der Klang der sechs Musiker in der Besetzung Viola da gamba, Cello, Kontrabass, Harfe, Cembalo und Orgel wird durch Viola und Cembalo geprägt, die einen kontrollierten Dialog mit weiteren Stimmen führen. Die Sonate in F-Dur (HWV 363a) war für Solo-Oboe, die Sonate in h-Moll (HWV 367a) für Blockflöte komponiert und werden hier adaptiert und von der Viola der Ensembleleiterin übernommen. Es wird flüssig und ausgewogen musiziert, ohne Zuspitzungen bei Tempi und Phrasierung – Freunde der Viola da gamba kommen dabei auf ihre Kosten. Die Kantaten werden nicht von einer Frau oder einem Countertenor gesungen, man hat mit Jorge Juan Morata einen Tenor gewählt, eine charakteristische, bühnenerfahrene Stimme, die die Kantaten im Sinne einer Miniaturoper interpretiert, „Ah, che pur troppo è vero“ (HWV 77) und „Care selve, aure grate“ (HWV 88) erhalten eine theatralische Note. Nur bei „Dolc’è pur d’amor l’affanno“ (HWV 109) fehlt die stimmliche Süße, um das Liebliche und Schmeichelnde der Stimmung zu transportieren, die dieses ursprünglich für einen Alt komponierte Stück birgt und dessen Beginn an Alcinas „Di, cor mio“ erinnert. (Brilliant 95362)

Die Opern von Johann Adolf Hasse sind weiterhin Raritäten auf den Bühnen, der große Durchbruch ist seiner Musik in unserer barockaffinen Epoche noch nicht gelungen. Einzelne Arien glänzen zwar auf manchen CD-Recitals, einige wenige Gesamtaufnahmen liegen vor, von einer Etablierung kann kaum eine Rede sein. Daß das Label Toccata sich nun daran macht, sämtliche Kantaten des Dresdner Hofkomponisten  herauszubringen, ist also verdienstvolle Pionierarbeit, denn auch die Kantaten der ersten veröffentlichten CD wirken durchaus im geschmeidigen, geschmackvollen italienischen Stil komponiert und tatsächlich scheinen sie als weltliche Arien für ein aristokratisches Publikum überwiegend in Neapel zwischen 1725 und 1730 entstanden zu sein, das Beiheft liefert kaum Informationen zur Entstehung und Einordnung. Zu hören sind sechs Kammerkantaten, die in kleinster Besetzung musiziert werden, nämlich von Ondřej Macek am Cembalo und Rozálie Kousalíková am Barock-Cello. Macek ist Gründer und Leiter des tschechischen Barock-Ensembles Hof-Musici, das sich seit 1991 eine internationale Reputation erarbeitet hat. Cembalist und Cellistin schaffen durch engagiertes und harmonierendes Zusammenspiel eine teils vorwärts strebenden teils intimen kammermusikalischen Rahmen. Die Kantaten entsprechen der Struktur (Rezitativ) – Arie – Rezitativ – Arie, der Sopran von Jana Dvoráková  ist bei „Credi, o caro, alla speranza“„Ah, per pietade almeno“ und „Lascia i fior, l’erbette, e’l rio“ zu hören, die Mezzospranistin Veronika Mrácková Fucíková übernimmt „Parto, mia Filli, e vero“, „Oh Dio! partir conviene“ und „Tanto dunque è si reo“. Beide sind barockerfahrene Sängerinnen, und doch kann man den Eindruck gewinnen, dass mehr Ausdruck in den Arien und Rezitativen liegen, als man hier zu hören bekommt. Alle Beteiligten leiden unter einer nicht optimalen Aufnahmetechnik, die keinen harmonisch ausgesteuerten Klang produziert. Akustisch ist das Hörvergnügen eingeschränkt. (Toccata 0228)

Linn Records hat eine Aufnahme aus dem Jahr 2001 mit Musik von Johann Sebastian Bach wieder veröffentlicht, die als eine Art Liederzyklus mit Promenadenmusik zusammengestellt ist. Es gibt fünf Arien aus Messen und Kantaten, die alternierend von sechs der sieben Sätze aus der zweiten Orchestersuite in h-Moll begleitet werden. Zu hören sind aus der MatthäusPassion die Arien „Buß und Reu“ und „Erbarme dich, mein Gott“, das „Agnus Dei“ aus der h-Moll Messe, die Arie „Wo zwei und drei versammelt sind“ aus der Kantate „Am Abend aber desselbigen Sabbats“ (BWV 42) und die Arie „Zum reinen Wasser er mich weist“ aus der Kantate „Der Herr ist mein getreuer Hirt“ (BWV 112). Die beiden Kantaten sind für die ersten beiden Sonntage nach Ostern komponiert, in Kombination mit den Arien aus der Matthäus-Passion und h-Moll Messe ergibt sich ein ernster Hintergrund, dem die Mezzosopranistin Catherine King mit schön timbrierter Stimme jederzeit gerecht wird – sie hält Maß und verleiht ihren Arien Würde und Noblesse. Julian Podger dirigiert das Norwegian Baroque Orchestra bei den Arien, Ketil Haugsand (als Cembalist ein Schüler Gustav Leonhardts) bei der Orchestersuite – beide tendieren zu einer unaufgeregten, nicht auf Effekte zielenden Lesart, die bestens begleitet, ohne Überraschungen auszulösen. (Linn Records – BKD 158). Marcus Budwitius