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Ihren beiden Leidenschaften, der französischen Sprache und der italienischen Musik, frönt die amerikanische Sopranistin Lisette Oropesa mit ihrer zweiten CD (Die erste widmete sich Konzertarien Mozarts.) mit dem Titel French Bel Canto Arias, und zwar solchen von Rossini und Donizetti. Auf der CD taucht zwar auch eine allbekannte Opernheldin wie Lucia di Lammermoor als Lucie de Lammermoor auf, allerdings in völlig ungewohntem akustischem Gewand, während die anderen Titel höchstens einmal in Pesaro und Bad Wildbad oder in Bergamo mit ihren speziellen Festivals zu erleben sind. Im Booklet bekennt sich die Sängerin zu ihrem Wunsch, möglichst oft dieses Repertoire auch auf der Bühne zu vertreten, wünscht sich eine Mathilde, nachdem sie bereits Charlotte (!) und Marguerite de Valois war.
Es beginnt mit zwei Arien der Pamyra aus Rossinis Le Siège de Corinthe, jeweils mit Damenchor, in denen die Sängerin viele ihrer Stärken, so die gute Diktion, die Beachtung auch der kleinen Notenwerte, ein fein flirrendes Timbre mit einem Hauch von Melancholie einsetzen kann. Der lyrische Koloratursopran ist in allen Lagen von gleicher Farbe, die Phrasierung ist generös, das Piano farbig. Als Mathilde aus Guillaume Tell offenbart sie die empfindsame Seele der Figur bereits im Rezitativ, ehe in der Arie ein schöner Schwellton und die reiche Agogik erfreuen, die Kadenz fein ausgekostet wird. Schillernd und funkelnd mit einem ironischen Touch und sprühend vor Lebensfreude äußert sich die Adèle in Le Comte Ory, der Spitzenton in der Arie wird mühelos erreicht.
Der Donizetti-Block wird mit der Arie der Pauline aus Les Martyrs eröffnet, in der Oropesa die Verzierungen gekonnt in den Fluss der Melodie einbettet. Lucie de Lammermoor hat zumindest in der ersten Arie der Italienerin „Regnava nel silenzio“ absolut nichts zu tun, auch inhaltlich nicht. Die Musik stammt aus der in Frankreich damals nicht bekannten Oper Rosamonde d’Inghilterra, ist keine Erinnerung an die tote Ahnin, sondern eher von der Vorfreude auf das Wiedersehen mit Edgard geprägt. Es handelt sich um eine reine, variationsreiche Bravourarie, die die Sängerin auch mit Bravour bewältigt, der sie aber auch einen perfekten canto elegiaco zukommen lässt. Die beiden Arien der Marie aus La Fille du Régiment sind auch dem vertraut, der nur die italienische Fassung kennt, und ihre Darbietung vereinigt noch einmal alle Vorzüge in sich, die man bereits zuvor bewundern konnte.
Die Dresdner Philharmonie lässt, und das wird wohl das Verdienst von Dirigent Corrado Rovaris sein, nichts davon verlauten, dass dieses Repertoire nicht gerade das ihr vertrauteste ist (Pentatone PTC 5186 955). Ingrid Wanja