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Diesen Ernani aus Florenz hätte man doch gern als DVD gehabt, denn das Cover der CD beweist, dass man sich beim Maggio Fiorentino Musicale alller inszenatorischen Mätzchen enthielt und schön grimmig dreinschauende echte Räuber auf der Bühne standen, mit Pistol bewaffnet und phantasievoll gewandet. Ob die Aufnahme von 2022 allerdings die altbekannte und fast unangefochten ihren Platz behauptende mit Freni, Domingo, Bruson und Ghiaurov aus der Scala ablösen kann, ist zweifelhaft, denn dazu ist die Qualität der sängerischen Leistungen allzu unterschiedlich.
Nicht sechs wie der Don Carlo und auch nicht fünf vorzügliche Sänger wie Il Trovatore braucht Ernani, sondern lediglich vier, aber die müssen tatsächlich Erstaunliches leisten, um das Werk aus seinem durch nichts zu begründenden Schattendasein herauszuholen.
Francesco Meli hat sich vorsichtig und Schritt für Schritt vom tenore lirico zum tenore spinto vorgearbeitet und ist inzwischen einer der begehrtesten Stimmen dieses Faches. Allerdings fehlt ihm jede Aura des Glamourösen wie Domingo oder des Skandalösen wie einst Franco Bonisolli, und so wie die Optik eine angenehme, aber keine die Herzen höher schlagen lassende ist, so ist die Stimme, was das Timbre betrifft, keine aufregende, die Technik eine durch und durch zuverlässige, eine reiche Agogik ermöglichende mit immer wieder überraschenden Schwelltönen. Manchmal erleidet sie in der Höhe einen Qualitätsverlust, wird dort auch einmal eng, kann aber in den Finali auch überraschend auftrumpfen. Lyrisch Getragenes liegt dem Tenor besonders, sein zärtlich-pathetisches „Ah, morir potessi“ kann berühren.
Eine wunderbare Partie ist die des Carlo V, der zwei höchst effektvolle Arien singen darf, so das verführerische „Vieni meco“ und die elegische, den Verlust der „verd‘ anni“ beklagende. Für den gestandenen Bariton von Roberto Frontali aber sind zwar die wütenden Ausbrüche des verschmähten Liebhabers eher im Bereich des Möglichen als zärtliche Verhaltenheit, der Bariton klingt streckenweise dumpf, oben eng und generell recht kurzatmig.
Die Unerbittlichkeit, mit der der russische Bass Vitalij Kowaljow als Silva die Vollstreckung des Todesurteils fordert, lässt wohlig erschauern, weit gespannte Bögen und eine angenehme Geschmeidigkeit lassen keinen Wunsch offen.
Wer nie mit Mirella Freni als Elvira glücklich wurde, kann sich über Maria José Siri freuen, deren Timbre von Tragik weiß, deren Piano präsent ist und der man abnimmt, wenn sie singt: „Ogni cor‘ serba un mistero“. Die Partie verlangt ein ausgeprägtes tiefes Register, über das sie verfügt, wenn auch manchmal etwas fahl klingend, die Höhe selten gepresst und die Intervallsprünge sicher. Ihre Stimme passt zu den Sopranfiguren aus dieser Schaffensperiode des Komponisten.
Genießen kann man, was Chor und Orchester unter James Colon mit viel Brio und Slancio von sich geben und womit sie das genussreiche Verdi-Hochgefühl erzeugen können (Naxos 8.660534-35). Ingrid Wanja