We shall see

 

„Schauen wir mal.“ Man kennt solche ausweichenden Antworten. „We shall see“, äußert sich auch die Frau des Fischers sibyllisch, die sich in ihrer amerikanischen Ausgabe nicht Ilsebill, sondern Kitty nennt. Und wir wissen, wo das hinführt. Immer mehr will sie haben, ein schönes, Haus, ein Schloss, Papst will sie sein, schließlich Gott. Und am Ende findet sie sich in ihrer einfachen Hütte wieder.

Anlässlich ihres 60-jährigen Bestehens gab The Junior League of Boston bei Sarah Caldwell und der Opera Company of Boston eine Oper in Auftrag, mit der die wohltätige Frauenorganisation den Kindern der Stadt ein Geschenk machen wollte. Die Wahl fiel auf Gunther Schuller. Und der suchte sich wiederum Der Fischer und seine Frau heraus. Das Libretto richtete kein Geringerer als John Updike derart geschickt ein, dass auch Erwachsene an den scheinbar schlichten Zeilen des Fischers (Tenor) und seiner Frau (Mezzosopran) und den Gesprächen mit dem Fisch (Bass) und der Katze (Koloratursopran) ihre Freude haben können. Die Uraufführung fand im Mai 1970 unter der Leitung des damals 45-jährigen Komponisten und in einer Inszenierung Caldwells im Savoy Theatre statt; der bekannteste Sänger war Donald Gramm als Fisch. Schuller war wohl der rechte Mann für diesen Einakter: ein in allen Stilen von der Klassik bis zum Jazz versierter Komponist, der in den 1940er und 50er Jahren ebenso selbstverständlich im Met-Orchester spielte wie er sich in der New Yorker Jazz-Szene tummelte und dem kurz zuvor die Ehre einer Uraufführung an einem der großen europäischen Opernhäuser zuteil geworden war: The Visitation nach Kafkas Der Prozess von 1966 gehörte zu den Auftragswerken, die während Liebermanns uraufführungswilder Ära an der Hamburgischen Staatsoper herauskamen. 45 Jahre später holten der Dirigent Gil Rose, das Boston Modern Orchesra Project und Odyssey Opera das an der Bostoner University als Teil der Caldwell Collection aufbewahrte Material nochmals aus der Schublade (1 CD BMOP/sound 1070, mit hübschen Illustrationen von Schullers deutscher Mutter Elsie Bernartz Schuller ), um es im November 2015 aufzuführend, wenn Schuller seinen 90. Geburtstag gefeiert hätte; der Komponist starb im Mai 2015.

Über die schlagzeugintensive, teils elektronisch aufgeblasene, aber doch recht zahme Musik, die in ihrer simplen Machart an Kinder- und Familienopern wie Menottis Amahl oder Foss‘ Griffelkin anknüpft, ist die Zeit hinweggegangen. Updikes Text ist wesentlich raffinierter als Schullers betuliche, gut gemeint langweilige Musik. Schon bei ihrer Uraufführung dürften die Kinder von Boston reihenweise in den Schlaf gefallen sein. Immerhin versucht Schuller die sich intensivierende Handlung des Märchens durch atmosphärisches Wetterleuchten einzufangen und bietet zudem dem nicht sonderlich geforderten Vokalquartett kleine Singinseln, darunter das reizvollen Duett Katze/Fisch „Nothing in this natural life/Is stranger than a man and wife” (Katrina Galka und David Kravitz) und die leidenschaftlichen Papst-Arie der Fischersfrau (Sondra Kelly), dazu den ironische Jazz-Zierrat für das Königschloss und die genügsamen Sentenzen für den Fischer (Steven Goldstein). Rolf Fath