Lohnt sich die Mühe?

Warum eigentlich diese luxuriös ausgestatteten Übernahmen ehemaliger DG-Ausgaben nun bei Pentatone? Vor ca. vierzig Jahren hatte die Deutsche Grammophon, obwohl es noch keine Abspielmöglichkeiten dafür gab, Mehrkanal-Aufnahmen herstellen lassen, die jetzt in einem komplizierten technischen Remastering-Prozess für moderne Abspielgeräte und für die mehrkanalige Super-Audio-CD bei Pentatone aufbereitet wurden. Aber reicht das?

Zumindest ist eine der beiden Opern des Ragtime-Komponisten Scott Joplin mit dem ungewöhnlichen Titel Treemonisha wieder auf dem Markt, nachdem sie als Budget-Ausgabe lange im Universal-Katalog gehandelt wurde. Das Werk, 1910 und 1911 komponiert, hat eine bewegte Geschichte, ging bei einem Brand wenn nicht durch Feuer, so doch durch Wasserschaden verloren, was die Orchestrierung betrifft. Scott Joplin erlebte seine Uraufführung nicht, lediglich die einer Klavierfassung, deren Druck der Komponist, der 1917 in geistiger Umnachtung starb, selbst finanziert hatte. 1972 wurde die Oper in Atlanta uraufgeführt in einer der vielen Versionen, die es inzwischen davon gab. Die Houston Grand Opera folgte 1975 mit der von Gunther Schuller hergestellten Fassung, die sich stark an europäischen Vorbildern orientiert. So klingt dann vieles nach Operette, Marschner sogar, weniges nach amerikanischem Musical, und eine „Schwarzen“-Oper kann man höchstens an einigen Chorpassagen ausmachen. Ob eine neuere Fassung von Rick Benjamin mit Ragtime-Einflüssen mehr dem Willen Joplins entspricht, kann man bezweifeln, der eine amerikanische, aber halt eine Oper für großes Orchester im Sinn hatte. Ihm wurde übrigens 1976 posthum der Pulitzer-Preis verliehen. Und die damalige Erstausgabe bei DG wurde als nationale amerikanische Oper gefeiert und hat sich kaum im Repertoire gehalten. Gelegentlich gibt es eine bemühte Aufführung ohne nennenswertes Echo. Der Name der Opern-Heldin leitet sich von dem ihrer Ziehmutter Monisha und der Tatsache ab, dass sie unter einem Baum gefunden wurde. Das erfährt  man in einer langen Erzählung der Mutter, wie überhaupt nicht eine Handlung im Vordergrund steht, sondern Erinnerung und Vorausschau auf ein neues Leben in Selbstbestimmtheit das Thema sind. Während Treemonisha von einer Weißen erzogen wurde, hängt die Dorfgemeinschaft dem Aberglauben, von selbsternannten Zauberern ausgenutzt, an. Diese wollen das Mädchen für seine Aufklärungsarbeit bestrafen und entführen es, der Freund Remus rettet sie, die Zauberer werden entlarvt, die Dorfgemeinschaft schwört Abkehr vom dunklen Werk und wählt Treemonisha zu ihrer Anführerin beim Marsch in eine von Aufklärung erhellte Zukunft. Irgendwie denkt man an moralische Aufrüstung und Agitprop auf Amerikanisch. Während Treemonisha dank ihrer Erziehung ein perfektes Amerikanisch singt, ergehen sich die Dorfgenossen in einem heute sicherlich als diskriminierend empfundenen Slang. Den durchweg schwarzen Sängern merkt man ihre Herkunft unterschiedlich stark an. Die Titelheldin wird von Carmen Balthrop mit schönem lyrischem Sopran, dem man auch eine Pamina anvertrauen könnte, gesungen. Den Gegenpol gibt der stark chargierende und Stereotype bedienende Ben Harney als Zauberer Zodzetrick ab. Leicht guttural klingt die Stimme von Betty Allen als Mutter, mit farbiger, etwas steifer dunkler Stimme singt Willard White den Vater Ned. Einen leichten Tenor hat Curtis Rayam für den Retter Remus. Gunther Schuller betont mit dem Orchester der Houston Opera eher das optimistisch Beschwingte der Musik als das Lehrhaft-Dozierende. Das vom Komponisten verfasste Libretto dürfte zu moralisierend, die Musik zu wenig originell sein, als dass dem Werk eine große Zukunft sicher sein könnte (PTC 5186 221).

Schlimm ist die Carmen-Aufnahme mit immerhin so berühmten Sängern wie Marilyn Horne, James McCracken, Tom Krause und Adriana Maliponte – ein Nachklang jener monströsen Met-Produktionen der Zeit, die mit dem Werk selbst wenig zu tun haben. Die Misere beginnt schon beim Orchester unter Bernstein , der gedehnt und pathetisch dem Stück alles austreibt, was französisch oder spanisch an ihm ist. Auch die Titelheldin lässt mit viel Bruststimme jede Eleganz und Erotik vermissen, ist vulgär und hat von stilistischer Reinheit kaum eine Ahnung. Ohne Schmelz und Geschmeidigkeit ist der Don José McCrackens eher ein Otello, den er wirklich gut sang. Tom Krause gibt einen recht anständigen, aber weniger guten als sonst von ihm gehörten Escamillo, Adriana Maliponte ist ein Lichtpunkt, aber das reicht natürlich nicht, um einen solchen wie den oben beschriebenen Aufwand zu betreiben (PTC5186 216)

Ingrid Wanja  

  1. Boris Gruhl

    Vielleicht interessant zu wissen, dass am Sonnabend, 25. April, im Rahmen der 24. Tanzwoche Dresden, Scott Joplins Oper als Gemeinschaftsproduktion der Dresdner Hochschule für Musik, der Palucca Hochschule für Tanz und der Hochschule für Bildende Künste als deutsche Erstaufführung auf die Bühne des Kleinen Hauses des Staatsschauspiel Dresden kommt. Studierende haben eine neue Partitur erarbeitet, Hans Brochhagen ist der Dirigent, es wird eine Aufführung die stark vom Tanz bestimmt ist, denn für Choreografie und Inszenierung hat man den italienischen Tänzer und Choreografen Massimo Gerardi verpflichtet. Er wird die Handlung vergegenwärtigen und der Sängerin der Hauptpartie ein Double – natürlich eine Tänzerin – an die Seite stellen.
    Informationen: http://www.tanzwoche.de oder staatsschauspiel dresden.

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