Wahnsinns-Oper

 

Der Sigmunde, Könige von Polen, allerdings keine polnischen Könige, gibt es drei, doch sie alle taugten wohl nicht für das Libretto von Rossinis Sigismondo, der zwischen erfolgreichen Opern wie Tancredi, Italiana und Barbiere bereits bei der Uraufführung in Venedig zum Flop wurde. Es ist die altbekannte Geschichte von der einer Intrige zum Opfer fallenden reinen und treuen Gattin, die durch einen Glückszufall überlebt und auf den Thron und an die Seite des vor Kummer dem Wahnsinn verfallenen Gatten zurückkehrt, und selbst die Urheber des Unrechts können in den Schluss-, der zugleich ein Jubelchor ist, einstimmen. In Pesaro nahm man die vorübergehende Trübung des Geistes der Titelfigur zum Anlass, die Geschichte in einer Irrenanstalt spielen zu lassen. Dem Bayerischen Rundfunk ist die konzertante Aufführung von 2018 und die dabei entstandene CD zu verdanken.

Das Stück wurde, wohl auch wegen der unwilligen Aufnahme durch das Publikum, zum Steinbruch für spätere Opern des Komponisten, so findet sich der Beginn des zweiten Akts des wenig später entstandenen Barbiere wieder, aber auch sonst wird man auf der Suche nach Wiederverwertung fündig. Bemerkenswert ist auch, dass die Tenorpartie die eigentlich umfangreichste, bedeutendste und interessanteste ist, aber nicht die des Titelhelden, sondern, der Tradition entsprechend, die des Intriganten ist.

Der amerikanische Tenor Kenneth Tarver ist ein renommierter Rossinispezialist (der bereits einen Sigismondo aus Wildbad 2016 bei Naxos aufgenommen hat, ein weiterer erschien zudem als Ersteinspielung des Werkes bei Bongiovanni/ G. H.), und seine edel timbrierte Stimme lässt auch bei dieser Aufnahme eher an Almaviva als an einen Brunnenvergifter denken. So gefühlsintensiv wie virtuos meistert er mit gar nicht anämisch klingender Stimme sowohl den temperamentvollen Aplomb seiner Arien wie die verzierungsreichen Cabaletten.

Das Schwanken zwischen umnachteten und wachen Momenten macht Marianna Pizzolato, ohne dabei stilistisch zu stolpern, in der Titelpartie mit androgyn timbriertem, die Rezitative phantastisch ausdeutendem Mezzosopran deutlich. Sie beherrscht die Skala von sanftem Wahnsinn bis zum glutvoll Auffahrenden und krönt das große Duett mit der Gattin mit einer wundervollen Fermate.

Die verfolgte Gattin Aldimira wird von Hera Hyesang Park mit melancholischer Dolcezza, mit sicheren Acuti und leichter Emission der Stimme gesungen. Ein virtuoser Ausbruch und eine besonders schön gesungene A-capella-Stelle sind ihr am Schluss vergönnt.

Herb und unausgeglichen in der Stimmführung gibt Rachel Kelly die Rivalin Anagilda, überaus sonor klingt Il Hong als rächender Vater Ulderico, mehr Geschmeidigkeit wünscht man dem Zenobio von Guido Loconsolo, zuverlässig stützt Gavan Ring als Radoski.

Temperamentvoll stürzt sich der Chor des Bayerischen Rundfunks  besonders als frohes Jägervolk ins musikalische Geschehen, unter Keri-Lynn Wilson trägt das Münchner Rundfunkorchester viel zur Ehrenrettung der mit vielen musikalischen Perlen bestückten Oper des Schwans von Pesaro bei BR Klassik 900327, 2 CD). Ingrid Wanja