Vom Rheinischen „Ring“

 

Wie aus einem Unglücksfall, dem Wasserschaden im Duisburger Opernhaus, ein Glücksfall, die konzertante Aufführung des Ring 2018 in der Mercatorhalle, werden kann, beweisen die vier CDs vom Mitschnitt der Götterdämmerung unter Axel Kober und mit hochkarätiger Besetzung. Die in ihrer Ausgewogenheit zwischen Orchesterklang und Sängerstimmen wirklich bemerkenswert gut gelungene Aufnahme lastet der Dirigent zu einem guten Teil auch dem Tonmeister Holger Urbach an, auch die „brillante Akustik“ des Aufführungsortes wird lobend erwähnt, aber letztendlich sind Dirigent, Orchester und Sänger die Hauptverantwortlichen für eine wirklich geglückte, weil den Hörer beglückende Aufnahme, der, insbesondere wenn gestresst und verärgert von missglückten Bühnenaufführungen, nun einfach genießen und bewundern kann.

Zuallererst müssen die Duisburger Philharmoniker genannt werden, der kostbare, edle Klang der Bläser, die Fähigkeit zu bruchlosem An- und Abschwellen des Klangs, der behutsam beim Morgengrauen, geschmeidig zunehmend beim Erwachen des Lichts ist, sonnig strahlend bei Siegfrieds Rheinfahrt und düster dräuend das kommende Unheil ausmalend. Wunderbar ausgewogen ist die Balance zwischen Sängerstimmen und Instrumenten, gut aufgebaut die zunehmende Spannung bei Siegfrieds Ankunft bei den Gibichingen und von beängstigender Fahlheit der Trauermarsch.

Viel Licht und wenig Schatten gibt es bei der Sängerbesetzung. Corby Welchs Siegfried bleibt in der Mittellage schwach, aber je höher die Stimme steigt, desto mehr Glanz bekommt sie, zu wenig ungestüm ist sein Eintritt in die Halle Gunthers, eindrucksvoll führt er das Schwören des Blutseides an, ebenso bemerkenswert die Fahlheit des Tenors, wenn er als Betrüger auftritt. „Helle Wehr“ wird sehr stark deklamiert, aber die „Heilige Braut“ klingt so hymnisch wie zärtlich.

Was ihr an jugendlicher Frische fehlt, macht Linda Watson als Brünnhilde durch Erfahrung wett. Im Vorspiel dominiert sie stimmlich gegenüber Siegfried, die Stimme kann auch in der mezza voce noch leuchten, so inbrünstig wie kontrolliert wird „O heilige Götter“ gesungen, sie weiß den Hörer in ihrem Entsetzen über den Betrug zu berühren, wird nie scharf, auch in „Welches Unholds List“ zwar herzzerreißend, aber nicht schneidend, und ihr Schlussgesang erscheint nicht als Kraftakt, sondern als agogikreich gestaltetes Seelengemälde.

Durch die von ihm gewohnte vorzügliche Diktion und damit verbundene Eindringlichkeit fällt auch hier der Alberich vom Dienst Jochen Schmeckenbecher auf. Sehr dunkel getönt ist der Bariton von Richard Sveda, der den Gunther recht heldisch, aber nicht akzentfrei singt. Hagen ist natürlich ein Finne. Sami Luttinen klingt in der Alberichszene eher wie ein Fafner, ist in der mit den Mannen aber wieder ganz ein Hagen von beängstigender Düsternis. Sarah Ferede gestaltet die Szene ihrer Walraute so kultiviert wie eindringlich. Anke Krabbe lässt aus ihrem frischen Sopran ein naives Blondchen von Gutrune erstehen, die wenn auch kurze Ehe mit Siegfried scheint sie bis zum dritten Akt etwas reifer gemacht zu haben. Geschmeidig und verführerisch singen die Rheintöchter Heidi Elisabeth Meier, Annelie Sophie Müller und Anna Harvey. Aus dem Nornenterzett ragt Annika Schlicht als 2.Norn hervor, Renée Morloc steuert einen reifen Alt bei, Barno Ismatullaeva beginnt schüchtern und steigert sich wundersam (Q 4 CDs 8553545). Ingrid Wanja

 

Und zuvor: Es war nicht der Rhein, der am Ende der Götterdämmerung über die Ufer trat und den Ring flutete. Eine defekte Sprinkleranlage bremste die Fertigstellung des an beiden Spielstätten der Deutschen Oper an Rhein in Düsseldorf und Duisburg erstellten Rings vor der Götterdämmerungs-Premiere in Duisburg aus. Wie das Katastrophenszenario in eine konzertante Aufführung und diese dann in eine Studioaufnahme umgelenkt wurde, schildert Axel Kober in der kurzen Einführung zu diesem Ring-Projekt, zu dem Die Walküre vorliegt (3 CD CAvi 8553543):  „Am Rhein beginnt und endet Richard Wagners Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen“, am Rhein erträumte sich der Komponist bereits 1851 die Uraufführung seines ebenso visionären wie monumentalen Werks. Auch wenn Wagners Festspielpläne in einem ganz anderen Teil Deutschlands in Erfüllung gehen sollten, ist und bleibt die Aufführung eines „Ring am Rhein“ stets etwas Besonderes.“

Und wo ließe sich dieser besser verwirklichen als an der Deutschen Oper am Rhein? Zwei Städte, zwei Orchester, zwei Sängerbesetzungen – mit dem fantastischen Sängerensemble der Rheinoper sowie den beiden herausragenden Orchestern der Duisburger Philharmoniker und der Düsseldorfer Symphoniker an ihren beiden Spielstätten in Duisburg und Düsseldorf waren die Rahmenbedingungen gesetzt. Der „Ring am Rhein“ in der szenischen Interpretation von Dietrich W. Hilsdorf nahm unter meiner musikalischen Leitung ab Juni 2017 nach und nach Gestalt an.

Der erfolgreiche Abschluss der knapp zweijährigen musikalischen und szenischen Zusammenarbeit sollte am Ende der Saison 2018/19 jeweils eine Aufführung des kompletten „Ring“-Zyklus an beiden Spielstätten bilden. Doch wenige Wochen vor der Premiere der „Götterdämmerung“ flutete eine defekte Sprinkleranlage das Theater Duisburg. Ein Wasserschaden machte die szenische Vollendung des Duisburger „Ring“ zunächst zunichte.

Glücklicherweise bot sich uns in der benachbarten Mercatorhalle Duisburg kurzfristig die Gelegenheit, den „Ring des Nibelungen“ zumindest in konzertanter Form zur Aufführung bringen zu können. Die vermeintliche „Notlösung“ entpuppte sich schon nach wenigen Proben als Glücksfall. …. Schon bald entstand der naheliegende Wunsch, dieses Erlebnis über die einmalige Konzertaufführung hinaus auch einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Das Ergebnis ist der Live-Mitschnitt aller vier Teile des „Ring“-Zyklus.

Wenige dürften ein dringendes Bedürfnis nach einer neuen Walküre verspüren. Als Dokument einer kontinuierlichen und erfolgreichen Ensemblepflege und Repertoirearbeit an der Deutschen Oper am Rhein ist diese Walküre ein ausgezeichnetes Dokument. Zu bedauern ist nach einem Blick auf den Seiten der Deutschen Oper am Rhein, dass die Inszenierung des klugen Dietrich Hilsdorf nicht festgehalten werden konnte. Vor allem besitzt sie in Axel Kober, dessen Mannheimer Aufführungen mir in guter Erinnerung sind, einen wissenden und erfahrenden musikalischen Leiter, der die am Mai und November in ihrer Heimstätte in der Mercatorhalle auf den Stuhlkanten sitzenden Duisburger Philharmoniker inspirierte. Der erste Akt entwickelt im seidig herben Streicherklang eine weiträumige Poesie, in die sich mit sehr guter und spannungsreicher Diktion der lyrisch sanftmütige, sich mit weiten Bögen kraftvoll und robust steigernde Siegmund des Schweden Michael Weinius bestens einfügt. Bei diesem Siegmund hört man gerne aufmerksam zu. Lukasz Konieczny gibt einen kraftvollen, gut abgestuften, allerdings nicht sehr bedrohlichen Hunding. Die flache Sieglinde der Sarah Ferede (auch Waltraute in der Götterdämmerung) vermag wenig Interesse zu wecken. An dem Haus, wo sie ihren kompletten Ring sang, ist Linda Watson, die Brünnhilde im Tankred Dorst-Ring 2006-10 in Bayreuth (wo sie bereits 1998 unter Sinopoli als Kundry debütiert hatte), erneut die Brünnhilde: eine wissende Wunschmaid mit farbiger, präsenter Mittellage, warmem Ausdruck (Todesverkündung) und immer noch stabiler Höhe. Sie trifft auf die gut disponierte, elegant geschmeidige Fricka der Katarzyna Kuncio – die durchgängige Textdeutlichkeit bei allen Sängern darf man durchaus Kobers klug disponiertem Klangbild zugutehalten – aber vor allem auf den spannungsvoll erzählenden, jugendlich starken, doch nie übersteuerten Wotan von James Rutherford, der auch im dritten Akt noch Reserven besitzt und Klang und Text sinnvoll steuert. Das gute Niveau des Ensembles unterstreichen Anke Krabbe als Helmwige, Jessica Stavros als Gerhilde, Katja Levin als Ortlinde, Romana Noack als Waltraute, Zuzana Šveda als Siegrune, Maria Hilmes als Rossweiße, Katharina von Bülow als Grimgerde sowie Susan MacLean (die Bayreuther Kundry 2010-12) und Uta Christina Georg als Schwertleite. Rolf Fath