Und noch ein Rameau

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Konsequent verfolgt das Label Château de Versailles die Fortsetzung der Einspielungen von Werken Jean-Philippe Rameaus und tritt damit in Kokurrenz zu älteren Aufnahmen bei Pierre Verany, Coviello oder Erato (vergriffen) – an Rameau war nie ein Mangel. Jetzt veröffentlicht das  Chateau auf drei CDs die Comédie lyrique Les Paladins von 1760, die im Dezember 2020 im Château de Versailles aufgenommen wurde (CVS054). Die Haupthandlung nach La Fontaine erzählt von der jungen Argie, die den jungen Atis liebt, was dessen Vormund Anselme zu vereiteln sucht. Ein zweites Paar findet sich mit Argies Zofe Nérine und Orcan, dem Diener Anselmes. Die in der Erzählung von La Fontaine erscheinende Fee Manto hat Rameau zu einer Travestie-Rolle verändert und sie einem haute-contre anvertraut, was die Figur skurriler macht.

Die Besetzung vereint erfahrene Interpreten der französischen Barockszene, angeführt von Sandrine Piau als Argie. Mit dem Air „Triste séjour“ fällt ihr das erste Solo des Werkes zu, das sie mit tiefer Empfindung und starker Intensität absolviert. Ihr Geliebter Atis ist der renommierte französische Tenor Mathias Vidal, der mit der Ariette vive et gaie „Accourez, amants“ seinen Auftritt hat, den er lebhaft und auftrumpfend gestaltet, auch mit brillanten Verzierungen aufwartet. Gleich danach folgt mit dem Air „Quand sous l’amoureuse loi“ ein inniges Stück, das er mit zärtlichen Klängen ausstattet. Im Duo „Vous m’aimez“ vereinen sich die Sopranistin und der Tenor zu schönster Harmonie. Bevor der 3. Akt mit ausgedehnten Tanzstücken endet, können beide im Duo „Ah, que j’aimerais“ sich noch ewiger Liebe versichern und tun das mit den denkbar lieblichsten Tönen.

Der französische Bariton Florian Sempey machte sich international einen Namen als Hamlet (auch in Berlin) und Posa – der Orcan in dieser Einspielung beweist auch seine Kompetenz in Sachen Rameau. Sein erstes Air, „Ma voix deviendrait plus sonore“, lässt  einen markanten, energisch zupackenden Bariton hören. Neben ihm gibt die Französin Anne-Catherine Gillet die Nérine. Mit der munteren Ariette vive „L’amant peu sensible et volage“ führt sie sich in schönem Kontrast zu Sandrine Piau ein und demonstriert virtuoses Koloraturvermögen. In ihrem Air „Est-il beau comme le jour“ beweist sie aber auch lyrisches Potential. Mit „Non, non, je ne puis dire“ haben der Bariton und der zweite Sopran auch ein keckes Duo, das beide mit Gusto darbieten.

Nahuel Di Pierro als Anselme und Philippe Talbot als Manto komplettieren die Besetzung. Ersterer trumpft in seinen Airs „Vous méditez, perfide“ und „C’est ce poignard“ mit resonantem Bass energisch auf. Auch zu Beginn des 3. Aktes kann er mit zwei Airs beeindrucken – turbulent „Tu vas tomber“, lieblich „Quels jardins délicieux“. In der Travestie-Rolle des Manto wurde mit Talbot in dieser Einspielung ein lyrischer Tenor besetzt, der in seinem Auftritt, der Ariette gaye „Le printemps des amants“, lieblich-weiche Töne hören lässt.

Am Pult von La Chapelle Harmonique steht Valentin Tournet, der das Ensemble 2017 gegründet hat. Auf historischen Instrumenten spielend, hat es sich besonders auf Werke Rameaus spezialisiert. Die Vertrautheit mit diesem Idiom ist auch in dieser Aufnahme spürbar. Mit der Ouverture très vive, deren Hörnerschall eine Jagdstimmung assoziiert, dem heiteren Menuet und dem ausgelassenen Gai sorgt es für einen munteren Einstieg in die fast dreistündige Komposition. In den Orchesterstücken und Tänzen, wie Entrée de pélerins, Gavotte gaie, Loure, Pantomime, Contredanse, Galop, Ritournelle, Bruit de guerre, von denen es auch einen Anhang gibt, vermag es mit musikantischer Spielfreude und feinsinnigem Gespür für dramatische wie heitere Stimmungen aufzuwarten (23. 02. 22). Bernd Hoppe