Triumph der Gerechtigkeit

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Der Musikfreund kennt Händels Oratorium Athalia (1733), aber wohl kaum das gleichnamige Werk des in Lucca geborenen Komponisten Francesco Gasparini, das 1692 in Rom uraufgeführt wurde. Die Libretti beider Werke fußen auf Racines Tragédie von 1691 Athalie. Während für Händel Samuel Humphreys den Text erstellte, ist der Verfasser bei Gasparini unbekannt.

Erzählt wird die Geschichte der machtbesessenen Königin Atalia, die ihre eigene Familie, darunter den Sohn Ochozia, König von Judäa, töten ließ, um die uneingeschränkte Herrschaft über Jerusalem zu erlangen. Sieben Jahre später verbindet sich der Sacerdote mit General Ormano und der alten Nutrice, um den kleinen Joas, der das Massaker als Einziger überlebt hatte, auf den Thron zu bringen.

In jüngster Vergangenheit haben einige Sopranistinnen und Countertenöre Arien aus Gasparinis etwa 60 Opern in die Programme ihrer Recitals aufgenommen. Als komplette Einspielung liegt aber nur Il Bajazet vor.

Mit der Veröffentlichung der Atalia sorgt das Label CVS erneut für eine Novität auf dem Musikmarkt. Die Aufnahme entstand im Januar 2024 in Versailles und liegt auf einer CD mit reich ausgestattetem Booklet vor (CVS147). Das Ensemble Hemiolia und sein Leiter, der Geiger Emmanuel Resche-Caserta, sorgen für eine packende Wiedergabe der Musik, die ihren Reiz aus virtuosen Arien und affektreichen Instrumentalstücken bezieht. Als Sinfonia dient Arcangelo Corellis Concerto grosso Nr. 5 op. VI – ein stimmungsvoller, kontrastreicher Einstieg mit Musik eines Zeitgenossen Gasparinis.

Die französische Sopranistin Camille Poul formt die Titelpartie höchst eindrucksvoll. Sie hat zu Beginn des ersten Teils gleich drei Soli zu absolvieren, in denen ihre strenge, aber klangreiche Stimme sich prominent präsentieren kann. Vor allem „Destatevi à l´armi“ zeigt ihre energische Entschlossenheit, die Macht zu besitzen und nicht teilen zu wollen. In „Ah nemico del mio ben traditor“ wird sie geradezu zur rasenden Furie. Höhepunkt ihrer Interpretation ist der Monolog zu Beginn des 2. Teils, „Ombre, cure, sospetti“, in welchem sie die Zustände von Angst und Schmerz eindringlich formuliert. Auch „Oh che fierezza!“ am Ende, wenn Atalia von Schreckensvisionen heimgesucht wird und auf Geheiß des Oberpriesters ihr Leben lässt, ist ein packender Moment. Der Szene folgt ein majestätischer Choeur, „O mirabil Providenza!“, von monteverdischem Zuschnitt.

Bastien Rimondi ist ein recht junger Interpret für den Ormano. Der weiche lyrische Tenor lässt schmeichelnden Wohllaut hören, verleiht der Figur edlen Zuschnitt. Seine Soli „Vado, man ben t´inganni“ und „Lascia di paventar“ sind von purer Schönheit. Ein Star im Ensemble ist der italienische Bariton Furio Zanasi als Sacerdote den er mit resonanter Stimme plastisch porträtiert. Mit der Kontraaltistin Mélodie Ruvio als kultivierter Nutrice wird die Besetzung eindrucksvoll komplettiert. Allen Barockfreunden sei diese Neuaufnahme dringend empfohlen (06.06.25) Bernd Hoppe