Toll dirigiert

 

Luisa Miller aus München: Völlig zu Unrecht eine der weniger bekannten Opern Giuseppe Verdis ist Luisa Miller nach Schillers Kabale und Liebe, dank der österreichischen Zensur aus einem deutschen Fürstentum in die Tiroler Berge verlegt und aus dem Musikus Miller einen alten Soldaten und aus der Fürstenmaitresse Lady Milford die respektable Witwe Federica machend. Nicht nur die populäre Tenorarie Quando le sere ist wunderbare Musik, sondern auch die Finali des ersten und des letzten Akts oder das Duett Padre-Luisa: Andrem… reißen auch bei wiederholtem Hören immer wieder mit. Ivan Repusic hat das Werk mit dem Münchner Rundfunkorchester und dem Chor des Bayerischen Rundfunks für die Reihe BR Klassik aufgenommen und weiß bereits mit der Sinfonia davon zu überzeugen, dass er sich auf das Brio der frühen Verdi-Opern versteht und es seinem Orchester zu entlocken weiß. Die Kontraste zwischen der ländlichen Idylle und dem dramatischen Geschehen werden fein herausgearbeitet, nicht nur im Vorspiel, sondern zum Beispiel auch im ersten Finale, wo erst der Schluss nach eher getragen klingender Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn umso rasanter ausfällt.

Leider hapert es bei der Besetzung ausgerechnet bei  der Titelpartie. Marina Rebeka klingt im ersten Akt in ihrer Koloraturarie nicht mädchenhaft genug, zu spitzig und scharf und eher wie von Leid geprüft als unbeschwert. Dieses Timbre passt dafür für den Schluss des ersten Akts recht gut, im Piano klingt der Sopran angenehm, aber in den Tutti zu schrill. Ein Beginn des zweiten Akts, wie man ihn von ihr zu hören bekommt, könnte höchstens im Verismo durchgehen, das Tu punisci mi, oh Signore findet zu keiner einheitlichen Gesangslinie, die Cabaletta wird mit drei unterschiedlichen Stimmen gesungen. Auch im A-capella-Quartett im zweiten Akt fällt sie durch Schärfe aus dem ansonsten angenehmen Rahmen. In der Szene im dritten Akt mit dem Padre schließlich bleibt sie neben dem Prachtbariton von George Petean akustisch unscheinbar. Etwas versöhnt wird der Hörer durch schöne, schwebende Piani am Schluss der Oper.

Mehr in Richtung soldato als in die des padre weist der recht metallische Bariton, der dem Miller mit feinen Schwelltönen, mit großzügiger Phrasierung und schönem Timbre ein eindrucksvolles vokales Profil verleiht, in der Cabaletta des 1. Akts nicht eindringlicher sein könnte und der zärtlich-tröstende Töne für das große Duett mit der Tochter hat. Ein noch recht lyrischer, hellstimmiger Rodolfo ist Ivan Magri mit gut tragender mezza voce, enormem squillo, so am Schluss des ersten Akts und mit so guter Diktion wie emphatischer vokaler Gebärde. Keine herrische, sondern eine weiche, gefühlvolle Federica ist die von Judit Kutasi, deren Stimmcharakter sie sympathischer erscheinen lässt als ihre Kontrahentin. Ein wunderschön schmerzerfülltes „Rodolfo“ bleibt im Gedächtnis des Hörers. Ein feines Timbre zeichnet die Laura von Corinna Scheurle aus.

Von der Deutschen Oper Berlin stammen die beiden Bässe, in ihrem Duett beide vorzüglich und doch ganz unterschiedlich klingend. Der von Ante Jerkunica als Wurm lässt in Abgründe nicht blicken, aber horchen, und das ohne Stimmverfärbungen und ohne Chargieren. Eine Grabesstimme  verkündet: „Egli muore“ und bleibt dabei purer Verdi-Gesang. Marko Mimica singt als Conte ausdrucksvolle Rezitative, beachtet skrupulös die kleinen Notenwerte und ist in allen Lagen gleichermaßen präsent. Man hört die CD gern und über ihre Schwächen auch gern hinweg (2 CD, BR Klassik 900323). Ingrid Wanja   

  1. Peter

    Bei einem Verdi-Freund rennt der erste Teil dieses Artikels natürlich offene Türen ein. Man muss schon sehr unmusikalisch und beinahe taub und wohl auch ignorant sein, um dieses Werk nicht als die Perle zu erkennen, die es ist.
    Wenn die Primadonna versagt, wie offenbar in diesem Fall, ist natürlich nichts mehr zu retten. Auch das Lob des guten Dirigats wirkt dann nur noch euphemistisch.
    Werde mir die Luisa in Zürich anhören und hoffentlich einen genussvollen Abend haben.

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