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Ich hatte mich nie sonderlich für Stephen King interessiert. Weder für die Filme noch für die Bücher. Das Versäumte lässt sich nun leicht nachholen. Der amerikanische Komponist und Pulitzer-Preisträger Paul Moravec (*1957) hat im Auftrag der Minnesota Opera einen der berühmtesten, wenn nicht gar den berühmtesten Roman Kings für die Bühne eingerichtet. „Stephen King’s novel The Shinng ist naturally operatic. The story strikingly dramatizes three oft he most basic elements of opera – love, death, and power“. In diesem Sinn hätte Moravec natürlich aus jedem Plot einer Vorabendserie eine Oper machen können. Allerdings ist The Shining nicht die erste Oper nach Stephen King; bereits 2013 wurde in San Francisco Tobias Pickers Dolores Claiborne nach dem gleichnamigen Roman (1992) uraufgeführt. Moravecs Librettist Mark Campell hat allerdings einen sehr guten Job gemacht, hat verdichtet und den zeitlichen Ablauf der Ereignisse im Overlook-Hotel gestrafft, in dem der trockene Alkoholiker Jack Tarrance eine Hausmeisterstelle antritt, um wieder sein Leben in den Griff zu bekommen und seine schriftstellerische Arbeit aufzunehmen. Anders als dutzende von Opern, für die Campbell ebenfalls Libretti verfasst hat, gelangte The Shining nach seiner Uraufführung im Mai 2016 in Saint-Paul und einer Produktion der Colorado Opera nach Covid-19 bedingter Verspätung auch in Kansas City zur Aufführung, wo nach mehreren ausverkauften Aufführungen im Kauffman Center for the Performing Arts im März 2023 die Produktion unter dem Dirigenten Gerard Schwarz mitgeschnitten wurde (Pentatone 2 CD PTC 5187036).
Vergesst Jack Nicholson, vergesst Stanley Kubrick. Moravec und Campbell bemühten sich tatsächlich, den Film, mit dem King keineswegs zufrieden war, hinter sich zu lassen und zum Roman (1977) zurückzukehren. Campbell hat die handelnden Figuren klar beschrieben, Jack Tarrance, seine Frau Wendy und ihren sechsjährigen Sohn Danny, dazu den Koch, Manager sowie Hausmeister des Hotels. Ebenso die Erscheinungen von Jacks gewalttätigem Vater Mark Terrance und früheren Hotelgästen, -Besitzern- und Mitarbeitern. In zwei Akten von rund 65 und 45 Minuten und sieben bzw. zehn Szenen und Epilog, die sich mit Ausnahme des acht Monate später spielenden Epilogs zwischen September und November 1975 im besagten Hotel in Western Colorado abspielen, hält sich das klaustrophobische Gruseln im bekömmlichen Rahmen. Szenisch mögen die Szenen der Lebenden und Toten, trostlose Gegenwart und festliche Vergangenheit des Hotels eine Herausforderung sein, musikalisch bietet Moravec brav illustrierende Hausmannskost, gesungenes Aufsagetheater sozusagen.
Man muss das wohl sehen – und nicht nur hören. Die einst als „One hell of a ride“ angekündigte Oper ist alles andere als ein Todesritt, sondern eine handwerklich souverän gearbeitete Oper, in der Edward Parks mit seinem sauberen Mozart- und Rossini-Bariton und seinem rührenden Abschied „I love you, Wendy, I love you, Danny“ einen weniger grellen Psychopathen Jack Tarrance zeichnen kann und Kelly Kaduce seiner Ehefrau Wendy mit ihrem Glittersopran hinreichend Kraft und Durchsetzungsvermögen gibt. Schwarz bringt das rund ein Dutzend Sänger schmalerer Partien, den Lyric Opera of Kansas City Chorus und die Kansas City Symphony zum Leuchten. R. F.