Telemann aus Hamburg

 

Nicht aus der Telemann-Stadt Magdeburg kommt die Neuaufnahme seines Miriways, sondern aus Hamburg, wo es gleichfalls ein Telemann Festival gibt und das Werk im November 2017 in der Laeiszhalle konzertant aufgeführt wurde. PENTATONE hat in Koproduktion mit dem Norddeutschen Rundfunk den Mitschnitt auf zwei CDs veröffentlicht (PTC 5186 842). Wegen der Mitwirkung der renommierten Akademie für Alte Musik Berlin ist diese Initiative besonders zu begrüßen. Das Orchester mit seinem musikantischen Schwung und dem lustvollen Einsatz ist dann auch der Trumpf der Einspielung. Am Pult steht der Kanadier Bernard Labadie, Gründer des bekannten Barockorchesters Les Violons du Roy, der die federnde Musik mit ihrem Elan und dem orientalischen Kolorit spannungsvoll auffächert. Neben der inspirierenden Begleitung der Solisten hat der Klangkörper auch Gelegenheit, in mehreren Instrumentalnummern zu glänzen. Feierlich gemessen setzt die einleitende Sinfonia ein, munterer Hörnerklang bestimmt deren bewegten B-Teil. Von erhabenem Charakter sind die schreitende Sinfonie en Sarabande und die gewichtige Marche en Persien im 2. Akt.

Hamburg ist für dieses Werk durchaus prädestiniert, denn immerhin wurde es hier 1728 in der Oper am Gänsemarkt uraufgeführt. Das Libretto von Johann Samuel Müller bedient die im 18. Jahrhundert beliebte Orient-Mode, führt nach Isfahan, der persischen Residenz von Miriways. Der afghanische Stammesfürst hat nach seinem militärischen Sieg den persischen Prinzen Sophi als König in der eroberten Provinz eingesetzt. Mit seiner heimlichen Ehefrau Samischa hat er eine Tochter, Bemira, deren Aufenthalt unbekannt ist. Miriways will sie finden und mit Sophi verheiraten. Am Ende kommt es zu diesem Happy-End, und auch ein weiteres Paar, der tatarische Fürst Murzah und die Perserin Nisibis, findet sich.

In der Besetzung gibt es mehrere in der Alte-Musik-Szene bekannte Sänger, so Robin Johannsen als persischer Prinz Sophi, Sophie Karthäuser als Bemira, Marie-Claude Chappuis als Samischa und Anett Fritsch als Zemir.

In der Titelrolle ist der deutsche Bariton André Morsch mit einer resonanten Stimme von besonderer Klangschönheit zu hören. In seiner Auftrittsarie „Ein dopp’ler Kranz“ nimmt er das heiter-ausgelassene Thema des vorangegangenen Chores auf, welcher wie ein Vorläufer zu „Bassa Selim“ aus der Entführung anmutet. Ein großer Kontrast dazu ist die heftig erregte, vom Orchester mit pulsierenden Figuren untermalte Arie zu Beginn des 2. Aktes, „Es erzitt’re der Wütrich“. Den Gemütszustand der Figur vermag er in „Verjage die Wolken“ und „Geh, undankbares Herze“ plastisch zu formulieren. Am Ende des 3. Aktes fällt ihm mit „Lass, mein Sohn“ ein Solo von getragenem Ernst zu, welches die Stimme noch einmal in ihrer Schönheit und Sensibilität aufscheinen lässt.

Nicht weniger als vier Soprane gibt es in der Besetzung, was zu einer gewissen Gleichförmigkeit im Klangbild führt. Für den persischen Pronzen Sophie, eigentlich eine Mezzo-Rolle, wurde Robin Johannsen gewählt, bekannt vor allem durch ihre Zusammenarbeit mit René Jacobs. Aber ihr Sopran ist sehr hell und leicht, vermag eine männliche Figur kaum zu suggerieren. Hier wäre ein hoher Counter die geeignetere Wahl gewesen. Dem Anspruch der dramatisch grundierten und an Koloraturen reichen Arie „Die Liebe spricht“ wird sie mit ihrer flexiblen Stimme gleichwohl mühelos gerecht. Ihr gebührt der letzte solistische Auftritt in der Oper mit dem furiosen  „Ich will mit verscheuchten Rehen“, dessen erregte Koloraturläufe beinahe einen Wahnzustand suggerieren. Dafür fehlt es der Stimme allerdings an Gewicht und Farbe. Für Miriways’ uneheliche Tochter Bemira ist Sophie Karthäuser ideal besetzt, denn ihr Sopran von apartem Timbre und zärtlicher Art verleiht der Arie „Ich liebe dich“ viel Anmut.

Recht ähnlich klingt Lydia Teuscher als persische Dame Nisibis, die ihre sanft wiegende Arie „Komm, sanfter Schlaf!“ kultiviert und feinsinnig vorträgt. Aber sie erfüllt auch die virtuosen Anforderungen der Partie und absolviert die Koloraturen der Arie „Mein widriges Geschicke“ am Ende des 1. Aktes beeindruckend. Im 3. Akt fällt ihr das einzige Duett, hier Aria à 2, des Werkes zu. Mit dem tatarischen  Fürsten singt sie „Welch süßes Ergötzen“, das die „himmlische Lust“ in zarten oder jauchzenden Koloraturen vorwegnimmt. Die vierte Sopranistin ist Annett Fritsch als persischer Fürst Zemir, auch dieser im Original eine Mezzo-Partie. Aber immerhin ist die Stimme etwas dunkler getönt als die ihrer Kolleginnen und in der Wirkung auch persönlicher durch die prägnante Artikulation und das Gewicht, das sie den Noten gibt. Die Arie „Ja, ja, es muss mir glücken“ profitiert vom energischen  Nachdruck, eine weitere, „Die Dankbarkeit“, von der plastischen Klangrede. Von Hörnern prachtvoll untermalt wird ihr Solo „Unwürd’ger, deine Liebeskerze“, welches das virtuose Vermögen der Interpretin herausstellt. Bei „Kann’s möglich sein“ im 3. Akt erfreut der noble Ton von hoher lyrischer Kultur.

Mit Marie-Claude Chappuis als Miriways’ Ehefrau Samischa findet sich der einzige Mezzosopran in der Besetzungsliste. Auch ihre gramvolle Arie „Könnt’ ich nur zu ihm sprechen“ fällt in dem stockenden Duktus aus dem Rahmen. Den 3. Akt eröffnet sie mit der Arie „Lass dir sein ehrerbietg’s Flehen“, die in ihrer munteren Heiterkeit von ganz anderem Charakter ist. Chappuis erfreut hier mit delikatem Gesang.

Kontrastierende Farben bringen zwei Baritone ein – Michael Nagy als Murzah, der in der Arie „Angenehme Westenwinde“ mit sanften Tönen und im 2. Akt in „Edle Sinnen lassen nicht“ mit kantablem Melos aufwartet, sowie Dominik Köninger als Geist und Scandor mit gewohnt zuverlässigem Auftritt. Der jubelnde Schlusschor „Die Sonne des Glückes“ kündet mit Janitscharen- Klängen vom frohen Ausklang.

Die Aufnahme ist eine ernsthafte Konkurrenz zur Einspielung von 2014 mit dem L’Orfeo Barockorchester unter Michi GaiggBernd Hoppe

 

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