Starke Frauen – very british

 

Und weiter geht’s mit britischer Frauenpower: Unlängst berichtete operalounge ausführlich über das neue Label Retrospect Opera, über die Oper The Boatswain’s Mate und deren Komponistin Ethel Smyth (1858-1944). Nun wurde nachgelegt und die vom Lontano Ensemble unter Odaline de la Martinez im November 2018 aufgenommene Kurzoper Fête Galante mit dem Untertitel A Dance Dream herausgebracht. Das rund 45-minütige, 1923 entstandene Werk entführt in die Welt der Commedia dell’arte und, wie es das Libretto selbst beschreibt, in einen „Watteau-Garten im Mondschein“. Es beginnt zeremoniell: Eine Sarabande wird von Gästen einschließlich einer Commedia-dell’arte-Truppe bei einem höfischen Fest vor König und Königin getanzt. Es folgt eine vom Chor begleitete Musette, während der ein Maskierter das zu Boden gefallene Taschentuch der Königin aufhebt; die wiederholte Sarabande beendet den Tanz.  Nun wird von einem als Harlekin, Pántalon, Pierrot und Columbine verkleideten Gesangsquartett ein Puppen-Spiel aufgeführt, dem sich verwirrende Verwechslungen anschließen, an denen der unbekannte Maskierte, der – als Pierrot verkleidet – der Liebhaber der Königin ist, Colombine, Pierrot sowie Königin und König beteiligt sind. Alles endet tödlich: Da Pierrot die Königin und ihren Liebhaber nicht verraten will, ersticht er sich selbst, um zu vermeiden gehängt zu werden. Wenn die anfängliche Musette kurz wieder anklingt, sieht man Pierrots leblosen Körper an einem Balken baumeln.

Dieser überraschend dramatisch endende „Dance Dream“ ist mit einer Musik versehen, die gekonnt mehrere Stilarten aufweist, von tänzerischen Barock-Passagen über neoklassische Liebes-Duette bis zu spätromantischer Dramatik am tragischen Schluss. Wie bereits bei der Einspielung der Komischen Oper The Boatswain’s Mate leitet Odaline de la Martinez das 17-köpfige Lontano-Ensemble, das die instrumentalen Anforderungen souverän erfüllt; der kleine Chor, eher ein Vokalensemble, singt erfreulich klangausgewogen. Die Stimmen der Gesangssolisten passen gut zueinander, von Felix Kemp mit geradezu belkantistisch geführtem Bariton als Pierrot und Charmian Bedford als klarstimmiger Colombine über die lyrischen Tenöre Mark Milhofer („Lover“) und Alessandro Fisher (Harlekin) bis zu dem Königspaar, der Mezzosopranistin Carolyn Dobbin und dem Bariton Simon Wallfisch.

Die CD enthält außerdem das ca. 20-minütige Melodram nach der Märchen-Erzählung von Oscar Wilde The Happy Prince von Liza Lehmann (1862-1918). Die englische Komponistin trat in den Jahren 1884 bis 1893 als Sängerin auf, u.a. gemeinsam mit Joseph Joachim oder Clara Schumann, die sie bei Liedern ihres Mannes Robert begleitete. In der Folgezeit wendete sie sich dem Komponieren zu; es entstanden vor allem Lieder und Liedzyklen, aber auch Schauspielmusiken. 1911 wurde sie erste Präsidentin der Society of Women Musicians; in ihren letzten Lebensjahren war sie beliebte Professorin für Gesang an der Guildhall School of Music. Das Melodram The Happy Prince besteht aus der differenzierend von der großen Felicity Lott gesprochenen Erzählung, der sparsam illustrierende Klangfetzen am Klavier (Valerie Langfield) unterlegt sind.

Schließlich wird die CD vervollständigt durch 1939 vom Light Symphony Orchestra unter Adrian Boult aufgenommene kurze Ausschnitte aus Fête Galante, The Boatswain’s Mate und Entente Cordiale von Ethel Smyth. Insgesamt liegen hier lohnende Einspielungen von hierzulande kaum bekannten Werken von der britischen Insel vor (Retrospect Opera RO007).   Gerhard Eckels