In letzter Zeit besonders eifrig im Veröffentlichen hauseigener Produkte zeigt sich das Teatr Wielki in Warschau, so Videos von Opern polnischer Komponisten oder aber jüngst eine Audio-Aufnahme von Verdis selten gespieltem Il Corsaro, allerdings kein Eigengewächs, dafür aber die erste Aufnahme des Werks mit Instrumenten aus der Entstehungszeit durch das Orchester Europa Galante unter Fabio Biondi, eher bekannt für seine Produktionen von Barockmusik. Il Cosaro ist nicht nur ein selten gespieltes, sondern bereits von seinem Schöpfer arg vernachlässigtes Werk, der es 1848 nur deshalb fertigstellte, weil er einen Vertragsbruch vermeiden wollte. Es gibt eine hochkarätigst besetzte Aufnahme unter Gardelli mit dem jungen Carreras in der Titelpartie und der Caballé sowie Jessye Norman, aparterweise erstere als Gulnara und letztere als Medora, während eine weitere mit Ricciarelli und Gulin stimmiger besetzt ist, was die Rollenverteilung betrifft. Renato Bruson muss eine Vorliebe für den Seid gehabt haben, denn er ist nicht nur auf dieser CD vertreten, sondern sang die Partie in weiteren Produktionen. Heutzutage dürfte eine Aufführung besonders problematisch sein, denn der Bösewicht mit vielen Allah-Beschwörungen ist eine heikle Figur und dürfte Empfindlichkeiten verletzen.
Zum italienischen Orchester gesellt sich eine international osteuropäische Sänger-Besetzung, Europa Galante beginnt gar nicht verhalten, sondern legt sich von Anfang an mächtig ins Zeug, glänzt in den Vorspielen, ganz besonders im wunderschönen Vorspiel zur Tenorarie im 3. Akt. Der einheimische Chor (Leitung Violetta Bielecka) gibt sich manchmal allzu verhalten, so die Odalisken, aber auch die Korsaren haben jegliche Wildheit abgelegt.
Sehr lyrisch unterwegs ist der Tenor Matheus Pompeu als Corrado, also in der Titelpartie, man kann ihn sich gut als Alfredo oder Duca vorstellen. Seine Stimme ist hell und durchdringend, er weiß sich gut in den Ensembles zu behaupten, erfreut durch eine angemessene Phrasierung und weiß die Effekte, die Verdi ihm zugedacht hat, für sich zu nutzen.
Mit einem bärbeißig klingenden Timbre, das streckenweise verquollen, im Fortissimo angestrengt klingt, ist Aleksey Bogdanov zwar ein überzeugender Bösewicht, weniger ein guter Verdi-Sänger, auch wenn ihm mit der Cabaletta „S’avvicina il tuo momento“ ein toller Parforce-Ritt gelingt. Er phrasiert recht kurzschrittig, kann aber zur Freude des Hörers auch ein machtvolles „Rapitore di donne“ herausschleudern.
Von den beiden Damen hat die Sklavin Gulnara das bessere musikalische Los gezogen, hat die interessantere Musik im Vergleich zur sich durchgehend, aber nicht sehr ausführlich dem Jammern bzw. dem Sterben hingebende Medora. Ilona Mataradze singt die tränenreiche Braut des Corsaren mit zartem, fast schon soubrettig klingendem Sopran, den man sich kaum in Partien, die sie bereits gesungen hat, so in der Butterfly, vorstellen kann. Neben fein gesponnenen Tongirlanden stehen gern, besonders im Presto, verwaschen erscheinende Teile. Nicht so stark, wie es wünschenswert wäre, hebt sich davon die Gulnara von Karen Gardeazabal ab. Eigentlich müsste dies eine Mezzosopranpartie sein, aber auch als Sopran klingt sie zu unsinnlich, zwar lieblich hüpfend, zu brav und nur in „Non sai tu“ entschlossen bis hin zur Schärfe. Dem dröhnenden Seid allerdings hat sie nichts entgegen zu setzen. Die insgesamt „leichte“ Besetzung passt natürlich zu einem Orchester, das vor allem Musik vor Verdi im Programm hat (NIFCCD/ Note 1, 2 CD 087-088/ 22. 11. 21). Ingrid Wanja