Der franco-belgische Komponist André-Ernest-Modeste Grétry zählte im Jahr 2013 zu den Jubilaren, es galt seinen 200. Todestag zu begehen. Hierzulande war davon wenig zu bemerken, er hat im deutschen Sprachraum auch nie große Popularität erreicht. Das ambitionierte Label Musique en Wallonie ehrt Gretry mit einer klug aus teilweise schon älteren Aufnahmen zusammengestellten 5-CD-Box (MEW 1371). Die in zarten Pastelltönen gehaltene Schachtel erfreut durchaus das Auge, ist somit ein Versprechen, das auch voll und ganz eingelöst wird.
Von Grétrys zahlreichen Opern werden drei in umfangreichen Querschnitten vorgestellt. Seine Caravane du Caire ist eine der zu seiner Zeit so beliebten Türkenopern, ähnlich Mozarts Entführung, auch fast zeitgleich entstanden. Sicher, Grétry ist kein Mozart, aber diese Musik hat Schmiss und Charme, nimmt immer wieder überraschende Wendungen und man bedauert fast, das Werk hier nicht komplett hören zu können. L’amant jaloux ist von seiner Struktur sehr viel intimer, fast ein Kammerspiel von beachtlichen musikalischen Qualitäten, äußerst anspruchsvollen Gesangspartien und erinnert ein wenig an Mozarts Così fan tutte. Und Le jugement de Midas wartet trotz des komödiantischen Stoffes mit erstaunlich heroischer, getragener Musik auf. Es spricht für die Klugheit der Edition, hier drei in ihrer Art doch recht unterschiedliche Werke vorzustellen.
Unter den Sängern begegnet man vielen alten Bekannten: Mady Mesplé ,Jules Bastin, Danielle Perriers, Phillippe Huttenlocher, Bernadette Degelin, um nur die prominentesten zu nennen. Marc Minkowski, Edgard Doneux und Ronald Zollman sind die Dirigenten. Eine komplette CD ist Transkriptionen und Bearbeitungen von Grétrys Musik durch andere Komponisten vorbehalten. Erstaunt stellt man fest, dass selbst Mozart Variationen über ein Chorstück von Grétry schrieb, sicherlich ein Ritterschlag für den Zeitgenossen! Abgerundet wird die Edition durch Grétrys sechs Streichquartette op.III, interpretiert vom Quatuor Haydn. Es sind Stücke von größter Anmut und Duftigkeit, gleichsam das krönende Soufflé dieses höchst empfehlenswerten musikalischen Menüs.
Peter Sommeregger