Potsdamer Festspiel Dokument

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Inseln lautete das Motto der Festspiele 2022. Im Schlosstheater des Neuen Palais Sanssouci konnte man die Bekanntschaft mit Giuseppe Scarlatti machen, vermutlich einem Neffen der weit berühmteren Komponisten Alessandro und Domenico. Sein dramma giocoso per musica I portentosi effetti della Madre Natura von 1752 (uraufgeführt in Venedig) ist eine veritable Rarität, wurde 1768 im Schlosstheater des Neuen Palais aufgeführt, wohin es nun zurückkehrte. dhm hat die Aufführungen vom 12. und 14. Juni mitgeschnitten und auf zwei CDs veröffentlicht (19658794542).

Das Libretto stammt von keinem Geringeren als Carlo Goldoni: Zentrale Figur ist Celidoro, der während eines Sturmes aus der Inhaftierung auf der Insel Mallorca, ausbrechen kann. Plötzlich erlebt er die Freiheit und lernt die Welt der Menschen kennen, vor allem die rätselhafte der Frauen. Er möchte sie gleich alle besitzen und muss erst lernen, dass hier eine Entscheidung Not tut. Der Tenor Rupert Charlesworth, seltsamerweise im Booklet als Sopranist ausgewiesen, gibt ihn mit lebhafter  Stimme, die gleich in seiner ersten Arie („Donna, vi lascio“) mit kraftvollen Spitzentönen imponiert.

Cetronella (Benedetta Mazzucato mit klangvoll gerundetem Mezzo) und Ruspolina (Maria Ladurner mit lieblichem Sopran) sind Konkurrentinnen um die Gunst Celidoros, der noch nicht weiß, dass er ein König ist, am Ende aber doch Cetronella zur Gattin wählt. Alle vereinen sich zum stürmischen Schlusschor „Oh gran Madre“ als eine Hymne an Mutter Natur.

Natürlich gibt es auch einen Bösewicht im Stück – es ist Ruggiero, der einst seinen Rivalen Celidoro ins Gefängnis bringen ließ, am Schluss aber samt seiner Gattin Lisaura von Celidoro frei gelassen wird und sogar noch die Ostküste der Insel Mallorca erhält. Der renommierte Counter Filippo Mineccia beginnt stimmlich etwas verhalten in seiner schwärmerischen ersten Arie, die von zärtlicher Lust kündet („Se d’un tenero Cupido“). Die Soli im 2. Teil der Aufführung liegen ihm besser in der Kehle, so „Sarai felice“ mit furiosem Mittelteil und vor allem sein letzter Auftritt im 3. Akt („Ti chiedo la morte“) von rasender Attacke. Giovanni Benvenuti hat diese fulminante Arie rekonstruiert. Eine internationale Größe im Barockrepertoire ist Roberta MameliIhr Sopran ist im Volumen gewachsen, hat aber nichts an Flexibilität und Virtuosität verloren. Die staccati in Lisauras Arien sind  delikat getupft und glitzern mirakulös. In der Besetzung ohne jeden Schwachpunkt bringen Niccolò Porcedda als Poponcino und João Fernandes als Vater Calimone mit soliden Stimmen die kontrastierend tiefen Töne ein.

Dorothee Oberlinger/ Foto Sony

Wieder ist Festspielintendantin Dorothee Oberlinger die Entdeckung eines musikalisch zauberhaften Werkes zu danken. Mit ihrem ENSEMBLE 1700 reizt sie den Charme und Esprit, aber auch die dramatischen Effekte der Musik mitreißend aus. Das beginnt mit der beherzten Ouvertüre, setzt sich fort bei den reizvoll instrumentierten Nummern (oft mit Tambourin und Kastagnetten) und reicht bis zu einigen Affekt geladenen, gesanglich anspruchsvollen Da capo-Arien. Interpolierte Orchesterstücke und Passagen mit Bläserglanz und Trommelwirbel bieten abwechslungsreiche Farben und Stimmungen. Ihr gebührt Dank für diese Insel musikalischer Glückseligkeit. Man hofft nun auch auf Festspieldokumente von diesem Jahr, welches das schöne Motto „In Freundschaft“ trug. Bernd Hoppe