Opera in German mit Rudolf Schock zweiter Teil: In der zweiten Box bei Profil Edition Günter Hänssler wurden Werke von Jacques Offenbach, Wolfgang Amadeus Mozart, Daniel Francois Esprit Auber und Peter Tschaikowsky zusammengefasst (PH200066). Im Einzelnen sind dies Hoffmanns Erzählungen, Cosi fan tutte, Fra Diavolo, Eugen Onegin und Pique Dame. Vorausgegangen war eine Sammlung von italienischen Opern mit einem der seinerzeit beliebtesten Tenöre Deutschlands. Überraschungen sind auch diesmal nicht dabei. Im Gegensatz zur ersten Box gibt es mit vier Liedern von Tschaikowsky nur einen Appendix auf der letzten, der zehnten CD: In dieser Mondnacht, Herrschet der Tag, Inmitten des Balles und Pimpinella. Sie wurden 1948 produziert. Eine genaue Quelle konnte offenkundig nicht ermittelt werden. Begleitet wird Schock von Erhard Michel, der mit bürgerlichem Namen Hans Rainbach hieß und aus der Gegend um das frühere Aussig stammte. Sammler kennen ihn von einer frühen DDR-Eterna-Platte aus dem Jahr 1951, auf der er gemeinsam mit dem Tenor Gert Lutze vierzehn Lieder aus Schuberts Schöner Müllerin zum Besten gibt. Obwohl Schock als Liedersänger bis in seine späten Jahre sehr aktiv gewesen ist, steht dieses Genre in der Wahrnehmung etwas im Abseits. Er hätte auf diesem Gebiet durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient. In seinem Fall kritische Aufmerksamkeit, denn seinen Interpretationen wirken auch dann noch relativ gut gelaunt, wenn ihn Komponist und Textdichter vor Abgründen stellen. Bei den Tchaikowsky-Liedern gerät er nicht in diese Zwickmühle. Sie sind sehr lyrisch, verträumt, überschwänglich, und Schock nimmt diese Stimmung auf.
Boni entfalten vor allem dann ihren ganz besonderen Reiz, wenn es sich – wie hier – um Ausgrabungen und Wiederentdeckungen handelt. Hingegen sind alle Opern der Editionen im Laufe der Jahre teils mehrfach von Nischenlabels – darunter Walhall – verbreitet worden. Ganz besondere Wertschätzung wurde dem Sänger beim schweizerischen Label Relief zuteil. Der Mehrwert der Neuerscheinung besteht darin, die Aufnahmen beisammen zu haben. Sammler lieben das. Ausschließlich handelt es sich um Rundfunkproduktionen, die zwischen 1947 und 1954 beim NWDR, später NDR, WDR und beim Berliner Rundfunk, als der noch nicht nach Ostberlin umgezogen war, entstanden sind. Das war Schocks beste Zeit als Sänger. Die Stimme klang noch nicht so eng in der Höhe, das unverwechselbare Timbre, dieses Alleinstellungsmerkmal, das ihn von allen seinen Kollegen unterschied, war voll ausgeprägt. Es bestand nicht der geringste Zweifel, dass ihm eine glänzende Karriere beschieden war. Die Aufnahmen sind wie ein Wechsel auf diese Zukunft. Und sie sind musikhistorisch interessant, weil sie vom Gründergeist des noch jungen öffentlich-rechtlichen Rundfunks getragen sind. In den Studios wurde wie am Fließband produziert, um aus diesem Vorrat die im Anwachsen begriffenen Sendezeiten bestücken zu können. Nicht alles gelang in Perfektion. Es wurden oft alte Fassungen und Übersetzungen verwendet, die heutzutage den Verfechtern historischer Aufführungspraxis die Haare zu Berge stehen lassen.
Ein besonders krasser Fall ist Offenbachs Hoffmann (WDR 1950) mit drei Akten, Vor- und Nachspiel. Giulietta (Martha Mödl) tritt noch vor Antonia (Elfride Trötschel) auf, während Olympia (Wilma Lipp) der Akt zuvor vorbehalten bleibt. Dirigent ist Eugen Szenker. Nach dem Hessischen Rundfunk nahm 1954 auch der NDR seine vom Hans Schmidt-Isserstedt geleitete Cosi fan tutte mit Schock als Ferrando und Horst Günter als Guglielmo auf. Die Damen waren Suzanne Danco (Fiordiligi) und Ira Malaniuk (Dorabella). Ebenfalls beim NDR wurde Schock im selben Jahr als Fra Diavolo besetzt mit der Lipp als Zerline. Es dirigierte der im Nachkriegsdeutschland ungemein tüchtige Wilhelm Schüchter, der zwei Jahre zuvor bei dem Sender Eugen Onegin eingespielt hatte. Der Grund, warum diese Produktion über sich selbst hinaus gewachsen schien, ist allerdings nicht der Lenski von Schock oder schon gar nicht der Schwede Hugo Hasslo in der Titelpartie und auch nicht Gottlob Frick als Gremin: Der knapp dreißigjährigen Sena Jurinac ist mir Tatjana ein Porträt gelungen, das seinesgleichen sucht. Es gipfelt in der nächtlichen Briefszene. Indem sie sich zu ihren Gefühlen für Onegin bekennt überschreitet sie alle konventionellen Grenzen, die ihr als Frau ihrer Zeit gesetzt sind. Sie will ausbrechen wie der Vulkan, der in ihr lodert. Sie fürchtet den Untergang nicht. Schon bevor sie auf Onegin traf, spürte sie das „Zaubergift Verlangen“. Ihn ihm hat es seinen lebendigen Ausdruck gefunden. „Wie sonderbar, es schaudert mich.“ Deutsch hin, Originalsprache her. In der Dichte ihrer künstlerischen Mitteilsamkeit wird diese Erwägung genauso zur Nebensache wie der enge Radiosound der frühen fünfziger Jahre, der sich in der zwischen 1946 und 1947 eingespielten Pique Dame noch etwas deutlicher bemerkbar macht. Auch diese Aufnahme mit Schocks Hermann bezieht ihre Bedeutung durch Sängerinnen – Elisabeth Grümmer als Lisa und Margarete Klose als Gräfin. Das Berliner Rundfunk-Sinfonieorchester spielt unter der Leitung von Artur Rother.
Mit Verdis Rigoletto unter Ferenc Fricsay von 1950 war die erste Box – Fünf italienische Opern – eröffnet worden (PH20012). Diese Aufnahme hat auf dem Musikmarkt ein enormes Beharrungsvermögen entwickelt. Myto brachte ihn heraus, später konnte Audite mit dem verbesserten Klang der originalen Rundfunkbänder punkten. Zwischendurch gab es einen Querschnitt bei Membran. Jetzt also Hänssler. Verdient ist diese Fürsorge allemal. Für die RIAS-Aufnahme wurde das Symphonie-Orchester dieses Senders herangezogen. Fricsay war dessen Chef und stand damals am Beginn einer großen Karriere, die mit seinem Tod 1963 ein allzu frühes Ende fand. Für mich ist der Rigoletto eine seiner besten Leistungen. Was für ein Drive! Takte ticken wie Zeitzünder. Wenn Monterone (Wilhelm Lang) seinen Fluch gegen den Herzog (Rudolf Schock) und Rigoletto (Josef Metternich) schleudert, entlädt sich ein gewaltiges Gewitter, das sich bei der unheimlichen Begegnung des Hofnarren mit dem Mörder Sprafucile (Fritz Hoppe) grummelnd verzieht, um sich mit dem Erscheinen von Gilda (Rita Streich) ganz aufzulösen. Fricsay beherrscht derlei dramatische Situationen aus dem Effeff. Seine Sänger folgen ihm bedingungslos. Schock, damals fünfunddreißig, hat für den Herzog genau das richtige Alter. Er singt die Partie verschwenderisch. Allein mit dem Wohlklang seines Tenors versieht er die Figur auch mit positiven Zügen und macht sie dadurch vielschichtiger. Ich nehme ihm sogar ab, dass er in Gilda tatsächlich verliebt ist – wenn auch nur für die Momente, in denen er sich zu ihr bekennt. Metternich lässt keinen Zweifel daran, dass er die Titeltrolle verkörpert – und zwar immer mit hundert Prozent. Er versenkt sich in die letzten Winkel der widersprüchlichen Seele des Narren. Singend befördert er letzte Dinge ans Licht als läge er auf der Couch eines Psychoanalytikers. Ich kann es nachvollziehen, dass Metternich mit Verdi selbst an der Met, wo die internationale Konkurrenz lauerte, reüssieren konnte. Seine Antrittspartie im November 1953 war übrigens der Don Carlo in La forza del destino.
In deutscher Übersetzung ist die Oper genau ein Jahr zuvor, beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) in Hamburg als Die Macht des Schicksals produziert worden. Auch diese Aufnahme drehte bereits die große Runde auf dem Markt, wobei darauf zu achten ist, dass es mit Schock als Alvaro – wie übrigens als Herzog in Rigoletto – noch einen Querschnitt gibt. Der stammt von 1965 als er zunehmend in die Unterhaltungsbranche wechselte und – wie ich finde – auch stimmlich unverbindlicher und beliebiger wurde. Der Hamburger Alvaro lässt diese Entwicklung bereits erahnen. Diesmal dirigiert Hans Schmidt-Isserstedt das NDR-Sinfonieorchester ohne den rasanten Schmiss von Fricsay, den wohl auch das Werk so nicht hergibt. Carla Martinis ist die Leonora. Sie stammte aus Kroatien und hatte erfolgreiche Debüts in Salzburg, Wien und Mailand hinter sich. Offenbar sollte ihre Mitwirkung der regionalen Rundfunkproduktion besonderen Glanz verleihen. Doch die große Arie „Gnade, Gnade, mein Heiland“ klingt unstet und überzeugt mich nicht. Auch Martha Mödl enttäuscht in der kleinen aber wichtigen Rolle der Preziosilla. Nach ihren furiosen Auftritten als Kundry und Isolde bei den Bayreuther Festspielen, ist so viel Stadttheater-Routine nicht zu erwarten gewesen. Sie konnte mit diesem Engagement nicht viel anfangen. Gottlob Frick ist als Pater Guardian die Güte selbst. Müsste ich einen der Mitwirkenden herausheben, es würde Gustav Neidlinger als Franziskanermönch Melitone sein. Er holt aus seiner Rolle am meisten heraus und macht aus seiner Predigt im Feldlager ein brillantes Kabinettstück.
Hänssler geizt in dieser ersten Box nicht mit Zutaten und lässt im Anschluss an die Radioeinspielung gleich noch den bereits erwähnten Eurodisc-Querschnitt springen. Was bereits bei den diversen Plattenauflagen auffiel, bliebt auch hier ein Rätsel: Warum dirigiert Wilhelm Schüchter nur den ersten Track mit der von der Orgel begleiteten Szene „Der ew’ge Name des Vaters im Himmel“, in der Guardian (wiederum Frick) die Mönche beschwört, der Klause von Leonora (Hildegard Hillebrecht), deren Identität nur er kennt, fern zu bleiben, der Rest aber von Heinrich Hollreiser? Und weil es so schön ist, folgt noch die so genannte Klosterszene der Deutschen Grammophon von 1954/1955 mit Annelies Kupper (Leonora), Josef Greindl (Guardian) und abermals Neidlinger als Melitone. Endlich kann ich die alte Platte ausrangieren, die ich auf einen Flohmarkt entdeckt hatte und der man ihr Alter ansah und anhörte.
Auf Verdi folgt Puccini. Um Tosca im NDR-Studio gemeinsam mit dem Dirigenten Wilhelm Schüchter aufzunehmen, sind die Martinis für die Titelrolle, Schock für den Cavaradossi und Metternich für den Scarpia ein Jahr nach der Macht des Schicksals wieder nach Hamburg gereist. Sie waren nun – so sollte man meinen – ein eingespieltes Team, zu dem sich noch Benno Kusche als Messner, Horst Günter als Angelotti und Kurt Marschner als Spoletta gesellten. In diesem Fall aber muss Teamgeist kein Vorteil gewesen sein. Alle Solisten bleiben unter ihrem eigenen Niveau. Sie finden nicht zusammen, jeder agiert irgendwie für sich und interessiert sich zu wenig für sein Gegenüber. Es knistert nicht, es kommt keine Spannung auf, was bei diesem Selbstläufer von Oper wundert. Die Aufnahme gleicht ehr einer akustischen Stellprobe. Als würden alles nochmal schnell durchgesungen, um sicher zu gehen, dass alles sitzt und gut genug memoriert ist. Selbst Metternich mit seinem ausgeprägten Instinkt für dramatische Situationen, verharrt müde in Routine. Wenn nun noch in Betracht gezogen wird, dass sich fast gleichzeitig in Mailand Maria Callas, Giuseppe di Stefano und Tito Gobbi mit dem Dirigenten Victor de Sabata anschickten, dasselbe Werk in der Originalsprache wirkungsmächtig einzuspielen, bedarf es keines Kommentars: Deutscher Puccini war keine Option mehr. Während in Hamburg die Asche verglomm, wurde in Mailand ein Feuer entfacht, das bis heute lodert.
Und die damals hochgerühmte Martinis? Es wird erzählt, dass Herbert von Karajan dem Met-Chef Rudolf Bing telegrafierte: „Brauche schönste Stimme der Welt. Wo ist sie?“ Bing soll geantwortet haben: „Carla Martinis. Hier.“ Mir „hier“ meinte er aber nicht sein Haus, sondern die Stadt. Die Martinis war an der City Opera engagiert. Met-Auftritte sind nicht dokumentiert. Die Anekdote ist auf der Rückseite einer Schallplatte nachzulesen, die bei der Electrola in Berlin mit dem Orchester der Staatsoper unter Schüchter produziert wurde. Im Booklet der Edition wird sie etwas verkürzt wiedergegeben. Auch wenn es so dasteht, ist für mich die Fragen angebracht, wie der führende Ostberliner Klangkörper im Mai 1956 zu dieser Mugge im Neuköllner Wintergarten kam? Dort wurde aufgenommen. Weil bisher nicht auf CD gelangt, gewann diese Platte Seltenheitswert. Bis jetzt. Als Bonus wurde sie in die Edition integriert und dürfte die Neuerscheinung für Sammler begehrlicher machen. Und hören wir nun die schönste Stimme der Welt? Darüber ließe sich trefflich streiten. Gesungen werden Arien von Verdi, Puccini und Mascagni. Oben drauf gibt es das Lied von der Weide und das Ave Maria aus Otello, die klanglich abfallen, weil es sich um den Salzburger Mitschnitt unter Wilhelm Furtwängler von 1951 handelt. Dafür schneiden die Liveszenen künstlerisch deutlicher besser ab, was die Vermutung nahelegt, dass sich die Martinis im Studio nicht so entfalten konnten wie auf der Bühne. Ihre Desdemona befindet sich in einem Schwebezustand. Als würde sie ihren Tod ganz bewusst durchleben. Sie stirbt singend und nicht durch Otellos Hände. Das ist sehr bewegend und überzeugend und kommt nach meinem Empfinden dem Ideal dieser Rolle sehr nahe. Hingegen sind bei den Plattenatrien derlei individuelle Auslegungen und Anpassungen an die Figuren ehr die Ausnahme. Mit „Ritorno vincitor!“ fällt der Auftakt der Bonus-CD robust und entschlossen aus. Mit der sich anschließenden Arie der Mimi aus dem ersten Akt der Boheme, in der sie von versklavter äthiopischer Königstochter auf kleines Mädchen umschaltet, fühlte ich mich in ein Wechselbad getaucht. „Pace, pace, mio Dio“: Den Beginn der Arie der Leonore aus La forza del destino lässt die Martinis mit langem Atem wunderbar aufblühen, um nach gut fünf Minuten mit einer fulminanten Steigerung zu schließen. So gehört sich Verdi gesungen. Dagegen fällt die Arie der Elisabetta „Tu che le vanità conoscesti del mondo“ aus dem Don Carlo ab. Veristisches Beiwerk stört die Stringenz dieser großdimensionierten Szene. Als Santuzza agiert die Martinis zu übertrieben, als Butterfly zunächst zu niedlich. Erst in der Todesszene findet sie in ein angemessenes Format. Neben dieser Platte, den Rundfunkaufnahmen und Mitschnitten ist lediglich ein Maskenball-Querschnitt bei der Decca mit Helge Rosvaenge als Alvaro überliefert. Hat Carla Martinis mit „der schönsten Stimme“ am Ende die die Erwartungen der Plattenindustrie nicht erfüllt? Die Fakten sprechen dafür. Bereits 1962 zog sie sich nach dem Unfalltod ihres Sohnes erst neununddreißigjährig ins Privatleben zurück. Sie habe durch das tragische Geschehen „buchstäblich ihre Stimme verloren“, heißt es im Booklet.
Als heiteres Intermezzo der Edition kommt Gaetano Donizettis Liebestrank daher. In breitem Stereo entstand die Aufnahme 1962 mit dem Berliner Kammerchor und den Berliner Symphonikern, die von Ernst Märzendorf für meinen Geschmack etwas zu deftig dirigiert werden. Für ungetrübtes Hörvergnügen muss das keinen Abbruch bedeuten. Schock singt den Nemorino. Mit seinen damals siebenundvierzig Jahren ist er der Rolle des einfältigen Bauernburschen entwachsen. Doch Schock wäre nicht Schock, würde er dieses Defizit nicht durch Professionalität wenn nicht völlig ausgleichen, so doch wenigstens mindern. Die Schwedin Stina-Britta Melander, nicht eben überrepräsentiert auf dem aktuellen Musikmarkt, ist als spielfreudige Adina besetzt, Ludwig Welter als Quacksalber Dulcamara und Lothar Ostenburg als Belcore. Die Fassung trägt zwar zum besseren Verständnis der Handlung beim hiesigen Publikum bei, verstärkt aber zusätzlich den Eindruck, als würde eine deutsche Spieloper gegeben. Die Übertragung aus dem wesentlichen flüssigeren italienischen Original wirkt wie eine kulturelle Vereinnahmung. Während sich Nemorino den Liebestrank, mit dem er seine angebetete Adina für sich gewinnen will, erhandelt, klingt im Cembalo des Dialogs so spielerisch wie überflüssig der berühmte Tristan-Akkord an. Donizettis Oper wurde 1832 in Mailand uraufgeführt, Wagner Musikdrama mehr als dreißig Jahre später. Gewiss, es gibt im Stück einen Hinweis auf die mittelalterliche Legende von Tristan und Isolde und deren Liebestrank. Mit Wagner hat das aber nichts zu tun. Der Gag geht ins Leere. Ältere Jahrgänge werden sich an die westdeutsche Fernsehproduktion erinnern, die erstmals Anfang 1963 ausgestrahlt wurde. Sammler hielten sie für verschollen oder gelöscht, bis sie kürzlich unverhofft bei YouTube in ansprechender Bild- und Tonqualität auftauchte. Ein Vergleich offenbart, dass deren Tonspur und die Produktion in der Edition identisch sind. Einen Hinweis im Booklet gibt es allerdings nicht.
Mit einer CD-Premiere geht Vol. 1 der Edition ins Finale: Cavalleria rusticana von Pietro Mascagni. Gleich dem Liebestrank handelt es sich um eine Eurodisc-Produktion, die 1963 mit Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin entstand. Heinrich Hollreiser hat die Leitung. Wieder wird die bekannte Übersetzung, in der die Orangen „duftig erglänzen“, bemüht. Die Interpreten aber geizen mit Duft und Glanz. Schlicht und ergreifend liefern sie eine Aufnahme für den Hausgebrauch ab. So war das offensichtlich auch gewollt. Puristen und Freunde der italienischen Oper sind ganz bestimmt nicht die Zielgruppe gewesen. Es wurde ein Publikum angesprochen, das seinen Rudi Schock liebte und hören wollte. Egal wie und womit. Der süße Wein, den er als gutgelaunter Turrido besingt, stammt von der Mosel und nicht aus Sizilien. In heutiger Wahrnehmung kann diese Interpretation nicht mehr punkten, geschweige denn überzeugen. Kein Wunder, dass die Einspielung bisher nicht den Weg auf CD fand. Dabei ist die übrige Besetzung nicht ganz uninteressant. Hildegard Hillebrecht singt die Santuzza, Alice Oelke die Lucia. Eberhard Waechter ist der Alfio und Bella Jasper die Lola. Achtlos und hochmütig sollte diese Cavalleria nicht beiseite geschoben werden. Aufnahmen sind auch zeitgeschichtliche Dokumente. Oper sollte einem breit gefächerten Publikum nahegebracht werden, das einfach nur entspannt zuhören und nicht fachsimpeln will. Das ist doch auch schon mal was. Auf die Fortsetzung der Rudolf-Schock-Edition darf man also gespannt sein. Dem Vernehmen nach soll die nächste Box Eugen Onegin und Pique Dame von Tschaikowski, Hoffmanns Erzählungen von Offenbach, Cosi fan tutte von Mozart und Frau Diavolo von Auber enthalten. Rüdiger Winter