Musikalischer Spass

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L’Heure espagnole/Bolero ist die fünfte Einspielung von Ravel-Werken unter der Leitung des versierten Francois-Xavier Roth mit dem Ensemble Les Siècles bei harmonia mundi. Ravels Vorgaben für das komödiantische Sujet der L’heure espagnole erfüllt Roth mit dem Ensemble, das von feinsten Melodiebögen bis zu größten Ausbrüchen mit passenden Farben malt, aufs Beste. So gerät der hier nur knapp 50 Minuten dauernde Einakter äußerst kurzweilig, der die Rafinesse einer Frau anschaulich macht, die zwischen Ehemann und zwei Verehrern schließlich im zunäcst störend hinzukommenden Vierten dank seiner Kraft als Möbelträger durchaus praktische Vorteile erkennt. Ravel hat für die Protagonisten häufig Sprechgesang gewählt, aber daneben durchaus veritable Arien in Miniformat geschaffen. Die Dame, um die sich alles dreht, ist Concepción – Frau des Uhrmachers – die von Isabelle Druet mit wandlungsfähigem Mezzo-Sopran ausdrucksstark gesungen wird; Gipfel der nuancenreichen Interpretation ist ihre Klage über das „jämmerliche Abenteuer“ mit ihren Liebhabern, wenn sie – unterstützt von teils schrägen, fast schrillen Klänge der Instrumente – durch die Oktaven tobt,. Loic Felix gibt den vor allem in seine Uhren verliebten Torquemada mit hellem Tenor, den er locker und leicht mit elegantem Sprachfluss durch alle Lagen führt. Als ganz von der Poesie beherrschter Gonzalve kostet Julien Behr die Gesangslinien sehnsuchtsvoll aus; der Tenor verfügt über klangvolle, freie Höhe und lässt die Sprache förmlich auf der Zunge zergehen. Sein Rivale, der ob seiner Leibesfülle verhinderte Liebhaber Don Inigo Gomez, hat in Jean Teitgen mit großformatigem Bass einen adäquaten Vertreter. Als Maultiertreiber Ramiro erweist sich Thomas Dolié mit bassgrundiertem, teils kräftigem, teils schmeichelndem Bariton erfolgreich im trubeligen Spiel. Ravels Coup, die Story angelehnt an Boccaccios Moral –  „Von allen Liebhabern ist einer erfolgreich, es kommt der Moment beim Zeitvertreib der Liebe, wo der Maultiertreiber an der Reihe ist“ –  mit einem wirbeligen Quintett enden zu lassen, wird von der Sängerin und den Sängern entsprechend bravourös vorgetragen.

Als starker Kontrast zu dem turbulenten Einakter wird die CD von Ravels „Meisterwerk“, dem Bolero ergänzt, der erst im Sommer 1928 entstand und über den er selbst sagte: „Schade nur, dass er überhaupt keine Musik enthält.“ Die Tänzerin und Choreographin Ida Rubinstein hatte Ravel 1927 um die Orchestrierung einiger Tänze von Albeniz’ Klavierzyklus „Iberia“ gebeten, was sich aber zerschlug. Da setzte Ravel auf eine schon lange in ihm wachsende Idee, nämlich ein Stück zu schreiben mit nur einem sich neunmal wiederholenden Thema aus zwei gleich langen Teilen, das nicht entwickelt wird, sondern nur durch stetige Steigerungen in Dynamik und Instrumentierung auf  den Höhepunkt zuläuft. Damit hat Ravel die abendländische Musiktradition verlassen, aber auf seine Weise eine kraftvoll bezwingende Musik geschrieben. Wie sich aus dem ursprünglichen Solo der Kleinen Trommel als Rhythmusgeber und Flöte/Klarinette mit dem erstem sowie Fagott/Klarinette in Es mit dem zweitem Thema über gut 15 Minuten lang der Klang vom kleinsten pianissimo bis zum größten fortissimo aufbaut, das entfaltet auch in dieser Aufnahme seine suggestive Wirkung. Mit den in allen Instrumententruppen tadellosen Les Siècles ist  Francois-Xavier Roth eine sehr gute Einspielung gelungen.

Einziger Wermutstropfen ist das sonst instruktive Beiheft, dass das Libretto nur in Französisch und Englisch angefügt wurde, während die übrigen Texte zu Komponist und Interpreten auch in Deutsch angegeben sind. Ein paar Informationen zu den Sängern wären auch hilfreich gewesen, da nicht jeder Kaufinteressent auf google  Zugriff hat (harmonia mundi HMM 905361).  Marion Eckels