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Von Händels Frühwerk Amadigi di Gaula präsentiert Chandos Records eine bemerkenswerte Neuaufnahme auf zwei CDs, die Ende 2021 London entstand (CHSA 0406/2). 1715 wurde die dreiaktige Oper im Londoner King’s Theatre uraufgeführt, der Autograph des Werkes ist verschollen, doch existieren davon mehrere handschriftliche Kopien. Teile der Ouverture sowie neun Gesangsnummern übernahm Händel aus seiner 1713 komponierten Oper Silla. Die in Griechenland spielende Geschichte handelt von dem für seine Heldentaten berühmten Ritter Amadigi und seiner Liebe zu Prinzessin Oriana, welche durch die Zauberin Melissa und ihren Anspruch auf Amadigi auf die Probe gestellt wird.
Die Early Opera Company leitet deren Gründer Christian Curnyn, der sich durch viele Einspielungen barocker Werke international einen Namen gemacht hat. Die reiche Palette der musikalischen Klangfarben der Komposition fächert er faszinierend auf und erzielt dabei stupende Wirkungen. Solche hört man schon in der Ouverture mit ihrem gravitätischen Largo als Einleitung und einem lebhaften Allegro als Mittelteil. Am Ende sorgt er mit dem Ballo di Pastori e Pastorelle für einen lebhaft-heiteren Ausklang.
Die Besetzung führt der renommierte Countertenor Tim Mead in der Titelpartie an. Er führt sich mit der Cavatina „Notte, amica die riposi“ ein und lässt eine sanft schmeichelnde Stimme hören. Das folgende Allegro „Non sa temere“ ist von beherztem Zuschnitt und demonstriert die flexible Stimmführung des Sängers. Zu Beginn des 2. Aktes kann er in der wiegenden Siciliana „Sussurrate, onde vezzose“ mit schwebenden Tönen bezaubern. Mit „Sento la gioia“ brilliert er am Ende des Werkes noch mit einem jauchzenden, Koloratur gespickten Solo. Seine Geliebte Oriana, Tochter des Königs der Glücklichen Inseln, nimmt die britische Sopranistin Anna Dennis wahr – auch sie erfahren im Barock-Genre und mit einer Stimme von lyrischem Wohllaut ausgestattet. Mit der Aria „Oh caro mio tesor“ fällt ihr eine Perle der Oper zu, welche sie mit fein gesponnenen Tönen zu bester Wirkung bringt. „Ti pentirai, crudel“ im 2. Akt ist dagegen erregt und heftig im Vortrag. Zu Beginn des 3. Aktes bezaubert sie mit zarten Klängen in „Dolce vita del mio petto“. Geliebt wird Amadigi auch von der Zauberin Melissa, die Mary Bevan singt. Ihr Sopran entfaltet in der Auftrittsarie „Ah! spietato!“ klagende Laute der Verzweiflung. In „Io godo, scherzo e rido“ kann sie dagegen vehement auftrumpfen. Auch ihr Duetto mit Amadigi im 2. Akt, „Crudel, tu non farai“, ist von stürmisch-auffahrendem Duktus. Mit „Desterò dall’empia dite“ fällt ihr ein von Trompetengeschmetter begleitetes Bravourstück zu, in welchem die Sängerin ihr virtuoses Vermögen demonstriert. Von ähnlichem Zuschnitt ist das rasante „Vanne lunghi“ im 3. Akt, das ihr energische Koloraturläufe abverlangt, in denen dann auch einige strapazierte Momente zu hören sind.
Eine der weltweit führenden Altistinnen ist Hilary Summers, der die Hosenrolle des thrakischen Prinzen Dardano anvertraut wurde. Mit „Pugnerò contro del fato“ fällt ihm das erste Solo des Werkes zu, ein energisches Presto, in welchem die Sängerin ihre noch immer perfekt funktionierende und agile Stimme vorführt. In der Aria „Agitato il cor mi sento“ überzeugt sie mit resolutem Ausdruck. Das getragen-ernste „Pena tiranna“ nimmt das berühmte „Lascia ch’io pianga“ aus dem Rinaldo auf und Summers zelebriert es in würdevoller Manier. „Tu mia speranza“ bringt eine kokette Note ein. Der Countertenor Patrick Terry komplettiert die Besetzung klangvoll als Zauberer und Orianas Onkel Orgando.
Das Werk ist auf dem Musikmarkt nicht eben reich vertreten. Die vorliegende Chandos-Aufnahme ist erst die dritte kommerzielle Einspielung der Oper und ergänzt die bisher maßstäbliche unter Marc Minkowski von 1989 auf Erato. Sie dürfte sogar eine starke Konkurrenz zu dieser Vorgängerin sein. Bernd Hoppe