Lückenschluss im Donizetti-Fach

Die jüngste Veröffentlichung von  Opera Rara betrifft in der Tat eine Rarität, denn Donizettis Tragedia lirica CATERINA CORNARO, in der ersten Fassung uraufgeführt 1844 in Neapel, lag bisher noch in keiner einzigen Studioaufnahme vor. In den 1970er Jahren hatte das Werk eine Blüte an   diversen Bühnen und in Konzertsälen Italiens, Großbritanniens und den USA. Die Titelpartie lag dabei fest in den Kehlen der Sopranistinnen Leyla Gencer und Montserrat Caballé, nach einer längeren Pause in der Rezeptionsgeschichte des Werkes wagte sich erst im Jahre 1995 Denia Mazzola beim Donizetti Festival in Bergamo an diese anspruchsvolle Aufgabe.

In der neuen Einspielung, die bereits Ende 2011 in London produziert wurde, ist Carmen Giannattasio zu hören und hinterlässt – nach ihrer Parisina von 2009 und Bellinis Imogene ein Jahr später beim selben Label – erneut einen zwiespältigen Eindruck. Die Stimme ist kein wirklicher Ausnahmesopran und inzwischen stören die grellen Spitzennoten der Sängerin doch erheblich. Der melancholisch umflorte dunkle Ton kann in den schmerzlichen Kavatinen und Romanzen („Vieni, o tu“) überzeugen, in Cabaletten zeigt sich, dass sie keine wirkliche Virtuosa ist. Als Gerardo, ihr Bräutigam in spe (doch wird die Hochzeit von Caterinas Vater Andrea aus staatspolitischen Gründen verhindert), lässt Colin Lee einen jugendlich-lyrischen Tenor hören. Der Klang bleibt auch in der Höhe angenehm, sieht  man von einem etwas gequält klingenden Spitzenton in seiner Arie „Morte, morte!“ ab.  Sehr überzeugend klingt er im Duett mit Lusignano, König von Zypern, den Caterina ehelichen soll, durch die starke Empfindung in seinem Vortrag. Diesen vermeintlichen Widersacher, der sich schließlich als Gerardos Verbündeter entpuppt, singt Troy Cook mit dunklem virilem Bariton und imposanter Verve in der Arie „Da che sposa Caterina“. Im schnellen Schlussteil ihres Duettes erweisen sich Lee und Cook als eloquente und gebührend auftrumpfende Sänger. Der Bass Vuyani Mlinde als Mocenigo, Mitglied des Zehnerrats in Venedig, fällt etwas ab – weniger wegen des grimmigen Timbres, sondern wegen der flachen Tiefe.

Natürlich haben der Sopran und der Tenor mehrere Duette – angefangen vom Hochzeitsgesang im Prolog und dem folgenden dramatischen Zwiegesang mit dem Entschluss, gemeinsam zu fliehen, bis zum Versöhnungsduett des 1. Aktes. Die Stimmen von Giannattasio und Lee mischen sich dabei sehr harmonisch. Und sie dominieren auch die beiden Finalensembles, in denen der Dirigent David Perry mit dem BBC Symphony Orchestra das Tempo straff anzieht und damit starken Effekt macht. Klangvoll und mit Brio singen die BBC Singers unter ihrem Leiter Renato Balsadonna. Stets willkommen sind eingespielte Alternativ-Varianten – in diesem Fall das Finale des 2. Aktes aus der zweiten Fassung (Parma/1845). Wie stets bei Opera Rara ist dies eine luxuriöse Ausgabe mit dickem, reich illustriertem Booklet, nur leider nicht in der schmucken Kartonschachtel, sondern – etwas bescheidener – im Schuber. – Bernd Hoppe –

 

Gaetano Donizetti: Caterina Cornaro (Giannattasio, Lee, Cook, Mlinde; BBC Singers, BBC Symphony Orchestra, David Parry) 3 CD Opera Rara ORC 48