Langer Abend

 

 Diese Serenata raubt keinem den Schlaf. Die Serenata Endimione von Joseph Haydns jüngerem Bruder Michael ist auch keine Nacht- oder Schlummermusik, sondern schlicht eine der im 18. Jahrhundert beliebten, bei besonderen Anlässen aufzuführenden Opernfestivitäten mit Seria-Charakter und übersichtlichen Inhalt, die entsprechend des exklusiven Datums nur einmal erklangen. Bekanntesten Beispiele aus der Spätphase der Gattung sind Mozarts Ascanio in Alba und Il sogno die Scipione. Der 1743 vom Erzbischof nach Salzburg gerufene und zum Hofkomponisten ernannte Michael Haydn übernahm im Laufe seines mehr als 40jährigen Wirkens an der Salzach Mozart Posten als Organist an der Dreifaltigkeitskirche und war zuletzt auch für die Dommusik zuständig. Anlässlich der Weihe von Ignaz von Spaun zum Fürstbischof von Brixen am 17. November 1776 schrieb er die abends im Salzburger Hoftheater aufgeführte Serenata in zwei Akten Endimione, die Wolfgang Brunner mit Unterstützung des Instituts für Mozart Interpretation der Universität Mozarteum und der Michael Haydn Gesellschaft und des von Graziano Mandozzi herausgegebenen Notenmaterials mehr als 240 Jahr nach ihrer ersten Aufführung wieder der Öffentlichkeit zugänglich machte (cpo 2 CD 555 288-2). Der 1721 verfasste und u.a. von Sarro, Hasse, Jommelli und Johann Christian Bach vertonte Text seit stammt von Metastasio. Die von Amor überwachten und gesteuerten Liebeshändeleien um den schönen Hirten Endimione und Diana sowie deren Begleiterin Nice sind in eine unendlich scheinende Abfolge von relativ umfangreichen Rezitativen und Arien gepackt. Genau genommen sind es im ersten Akt mit Ausnahme zweier Arien für die Göttin der Jagd, je eine Arie für jeden der Protagonisten ebenso vier Arien im zweiten Teil, in dem mir die Rezitative noch ausführlicher geraten scheinen. Für Abwechslung sorgt das Duett Diana/ Endimione am Ende des ersten Aktes und der kleine Chor am Schluss der Oper. Das Ganze dauert bekömmliche zwei Stunden. Die Arien sind durchaus bravourös, verziert, setzen mehrfach auf Tempo und jagen die Sänger durch alle Lagen, die schöne Instrumentierung unterstreicht den pastoralen Charakter der Szene in der antiken Landschaft Karien „auf den Hängen des Bergs Latmus“ in Südwestanatolien. Die Besetzung mit drei Sopranen und einem Countertenor in der Partie des vermutlich vom Kastraten Tommaso Consoli, welcher im Jahr zuvor den Ramiro in La finta giardiniera kreiert hatte, gesungenen Endimione trägt zum Gleichmaß der Serenata bei, aus der im ersten Teil Endimiones „Dimmi che vaga“ mit dem um äußersten Wohllaut bedachten Nicholas Spanos herausragt. Aleksandra Zamojska, absolut sicher in den Koloraturen und Verzierungen von Dianas erster Arie, und die eher lyrischen Ulrike Hofbauer als Nice und Lydia Teucher als Amor tummeln sich mit etwas zu gleichförmigem Ausdruck an den Berghängen, wo Dianas mehr als 13minütige Cavatina „Selve amiche“ recht ermüdend wird. Möglicherweise hätte Wolfgang Brunner das von der Salzburger Hofmusik souverän bewältigt göttlich-pastorale Getue etwas energischer lenken können.Rolf Fath