Nur wenige echte Singspiele haben auf der heutigen Opernbühne überlebt, außer der Zauberflöte und der Eintführung aus dem Serail sind sie fast alle vergessen. Jetzt ist bei der Deutschen Harmonia Mundi ein Singspiel von Johann Abraham Peter Schulz erschienen – Peters Bryllup/ Peters Hochzeit.
Gut geklaut: Uraufgeführt wurde das Werk 1793 in Kopenhagen – ein schönes Beispiel dafür, wie gut um 1800 deutsche und dänische Kultur zusammenfanden. Dass in Kopenhagen Opern von deutschen Komponisten verfasst wurden, war keine Seltenheit, berühmt wurde der deutsche Komponist Friedrich Kuhlau, der bis heute als eine Art dänischer Nationalkomponist gilt. Ähnlich populär war einige Jahre zuvor Johann Abraham Peter Schulz, ein deutscher Komponist, der zunächst Opern für Berlin, Potsdam und Rheinsberg schrieb und kann nach Dänemark ging. In Deutschland ist er vor allem bekannt für seine Klavier-Lieder im Volkston, von denen einige wirklich zu Volksliedern wurden, wie „Der Mond ist aufgegangen“ und „Ihr Kinderlein kommet“.
Peters Bryllup ist seine letzte Oper und die erweiterte Fassung seines größten musikalischen Bühnen-Erfolges, einer Art Bauern-Revue mit dem Titel Das Erntefest(1790). Spannend daran ist, dass zwischen Fassung 1 und Fassung 2 die Zauberflöte komponiert wurde. Die CD dokumentiert faszinierend, wie skrupellos und geschäftstüchtig Schulz Mozarts Anregungen in seine Neufassung integriert. Die Arie des Hans aus dem zweiten Akt klingt so sehr nach Sarastro, dass in unseren Tagen zweifellos eine Plagiatsklage erfolgt wäre.
Singspiel mit genretypischen Höhen und Tiefen: Die Neuveröffentlichung dieses Singspiels aus Mozarts Tagen wirft wieder einmal die Frage auf, warum das Genre fast komplett untergegangen ist – um sie gleichzeitig zu beantworten. Handlung und Musik sind oft – trotz ambitionierter einzelner Teile sehr schlicht, um es mal höflich auszudrücken. Vor allem zeigt sich hier exemplarisch, wie schwer sich der einstige Erfolg der liedhaften Couplets heute vermitteln lässt. Einst waren sie Hits – heute leiert der musikalische Einfall spätestens nach der zweiten Strophe aus. Wenn man bedenkt, dass es noch in den 1970er Jahren Musikwissenschaftler gab, die für Kürzungen beim frühen Verdi plädierten, weil sich die Einfälle der Cabaletten angeblich abnutzen… Diese Autoren würde beim Anhören von Peters Hochzeit vermutlich der Schlag treffen.
Auch die konfuse und wenig spannende Handlung von Peters Hochzeit dürfte zur Vergessenheit des Werks beigetragen haben. Dadurch, dass es sich um die opernhafte Erweiterung eines ehemaligen festlichen Einakters handelt, wirkt das Ganze sehr episodenhaft. Am ehesten vergleichbar ist der Plot mit Haydns (späterem) Oratorium Die Jahreszeiten. Es werden ländliche Geschichten erzählt, wir hören von verschiedenen Paaren, die zueinanderfinden, auch von tragischen Figuren, aber den größten Raum nehmen die Hochzeits-Feierlichkeiten selbst ein, die hier in Chören und Tänzen zelebriert werden. Und die sind oft wirklich gelungen. Zeitzeugen zufolge befand sich nämlich das einfache Volk Dänemarks nach 1790 in einem jahrelangen Freudentaumel, weil in diesem Jahr die Leibeigenschaft abgeschafft wurde. Und Schulz, der diese Freude hautnah miterlebt hat, fängt die Stimmung wirklich beglückend und überzeugend in seiner Musik ein.
Akustisch nicht immer genussreich: Der Dirigent Werner Ehrhardt bringt mit seinem Ensemble L’arte del mondo jedes Jahr eine seltene Oper des 18. Jahrhunderts heraus – und die letzten Jahre waren das echte Leckerbissen – Olimpiade von Pergolesi, Die Gärtnerin aus Liebe von Anfossi, alles richtig schwere Tanker mit viel Tiefgang im Operngewässer. Dies hier ist dann doch eher eine bunt angestrichene Schaluppe. Aufgenommen wurde in Kopenhagen mit dänischen Sängern, aber für den internationalen Vertrieb wurden die dänischen Dialoge gestrichen, übrig bleibt eine magere CD mit 70 Minuten Musik. Dazu kommt, dass diese Halle in Kopenhagen nicht grade ein akustisches Eldorado ist, mitunter klingen die Solisten wirklich wie aus dem Innern einer Schaluppe. Auch nicht jede dänische Stimme, grade bei den Solistinnen, hat das gewohnte Niveau, an das man bei der Deutschen Harmonia Mundi sonst gewöhnt ist. Aber natürlich ist das insgesamt eine hübsche und vielleicht sogar wichtige Ausgrabung, grade weil sie wieder einmal zeigt, wo Stärken und Grenzen der einst so beliebten Gattung Singspiels liegen. L’arte del mondo jedenfalls musiziert wieder hinreißend und ambitioniert (Johann Peter Schulz: Peters Bryllup/ Peters Hochzeit; Singspiel in zwei Akten mit Eva -Lotta Ohllson, Hannah Husahr, Tobias Westmann, Johann Rydh; L’arte del mondo, Werner Ehrhardt; Deutsche Harmonia Mundi; 88843017602). Matthias Käther