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Sir Gerald Hugh Tyrwhitt-Wilson, späterer Lord Berners, wurde in Apley Park, Bridgnorth geboren, in Eton erzogen, wo er erste künstlerische Anregungen erhielt, und studierte in Dresden und England Musik, blieb aber kompositorisch weitgehend Autodidakt, obwohl er durchaus von u.a. Igor Strawinsky ermutigt wurde. Dieser hielt vor allem Berners Ballette wie The Triumph of Neptune und The Wedding Bouquet für ebenso gut wie die französischen Werke dieser Art von Diaghilew. Der kürzlich bei NAXOS (8.660510) erschienene Opern-Einakter Le Carrosse du Saint-Sacrement wurde 1924 schlecht aufgenommen. Dabei hatte Berners die gleichnamige Komödie von Prosper Mérimée als Vorlage gewählt, aber seine Musik schien dem Publikum damals zu ernst für eine Komödie. Danach hat sich Berners nie mehr mit dem Genre auseinandergesetzt; lediglich eine ca. 9-minütige Zusammenfassung reiner Orchesterteile der Kurzoper hat er unter dem Titel Caprice Péruvien erstellt, die als Einstieg einer Aufführung vorangestellt werden kann.
Zum Inhalt: Mérimées Stück spielt in Lima/Peru. In acht Szenen wird der Vizekönig – durch Gicht nicht mehr so recht bewegungsfähig – gezeigt, der sich mit den unterschiedlichsten „Regierungsproblemen“ sowie den Ränken und schmeichlerischen Auftritten einer „Freundin“ (Camilla La Perichole) herumschlagen muss. Hat diese ihn nun mit dem Matador betrogen oder doch nicht? Ein Bediensteter (Balthazar) und sein Sekretär Martinez tragen ihm alle Neuigkeiten zu. Wichtig ist vor allem eine neue Karosse, die er erwartet und die ihn eigentlich zur Messe in die Kathedrale fahren soll. Camilla schmeichelt sie ihm aber ab und nutzt sie allein, um dort vorzufahren. Wie der Vizekönig durch ein Fernglas beobachtet, verursacht sie einen kleinen Unfall vor der Kirche; aber verärgert ist er vor allem, weil sie auf dem Weg in der Karosse ebenso hofiert wird, wie er sonst. Nach dem Gottesdienst erscheint der Bischof persönlich mit La Perichole beim Vizekanzler und berichtet, dass sie nach einer „Erleuchtung“ die Karosse der Kirche gestiftet habe, um Kranken und Sterbenden die letzten Sakramente zu bringen. Das bewirkt ein weiteres Wunder, die Heilung des Vizekönigs von der Gicht.
In der Aufnahme von 1983 in Schottland leitet Nicholas Cleobury versiert das BBC Scottish Symphony Orchestra, das die geschickte Instrumentierung des Komponisten sicher herausarbeitet. Die acht Szenen sind durchkomponiert und folgen nahtlos aufeinander. Bis auf den irischen Sänger Thomas Lawlor sind alle Solisten Engländer, so dass die Texte bestens zu verstehen sind. Die Intonation und Artikulation ist durchweg zu loben, wie auch die Differenzierungen in der jeweiligen Gestaltung. Leider ist nirgendwo im Beiheft oder der Verpackung der CD zu erkennen, welcher Sänger welche Rolle singt, so dass auf einzelne Bewertungen verzichtet werden muss; lediglich der Vizekönig mit raumgreifendem Bass-Bariton, den er aber bei seiner Kontrahentin gut zurückzunehmen weiß, ist vermutlich Ian Caddy zuzuordnen. Die übrigen Tenöre Alexander Oliver und John Winfield sowie der Bass-Bariton Thomas Lawlor und der Bariton Anthony Smith ergänzen das Ensemble rollengerecht. Die einzige Frauenrolle, Camille La Périchole, wird von der Mezzosopranistin Cynthia Buchan ausdrucksstark interpretiert. Mit großem Stimmumfang weiß sie zu schmeicheln, aber auch mit genügendem Aplomb ihre Wünsche und Pläne gegenüber dem Vizekönig durchzusetzen – wahrlich ein köstlicher Spaß!
Die vorangestellte Caprice Péruvien, aufgenommen 1995 in Irland, wird von der RTÈ Sinfoniettaunter der sicheren Leitung vonDavid Lloyd-Jones mit genügendem Schwung geboten und bereitet sehr gut auf den folgenden Einakter vor. Marion Eckels