Steffanis „Alarico il Batha“

 

Seit dem „Steffani-Projekt“ von Cecilia Bartoli und Diego Fasolis mit seinem Ensemble I Barocchisti bei der Decca, das mit Opernarien und geistlichen Werken von Agostino Steffani bekannt machte, ist der Komponist wieder im Gespräch. Kürzlich gab es aus dem Sendesaal Bremen eine Übertragung seiner Niobe, die sicher bald den Weg auf die CD finden wird.

Da kommt eine Veröffentlichung der italienischen Forma CONCERTO, die sich dem gänzlich unbekannten Dramma per Musica des italienischen Komponisten, Alarico il Baltha, cioè l’Audace, Rè di Gothi, widmet, natürlich sehr gelegen, möchte man von seiner Musik doch möglichst viel hören. Die Initiative des Scarlatti Camera Ensembles ist also durchaus lobenswert und verdienstvoll. Die Interpretation des Werkes, das wie die Niobe 1687 entstand und in Frankfurt/M. uraufgeführt wurde, allerdings ist eine große Enttäuschung, um nicht zu sagen ein Ärgernis. Da sind derart dilettantische Sänger am Werk, dass man sich in einer Laienaufführung wähnt. Dabei ist der Einstieg mit einer vom Ensemble inspiriert musizierten Ouvertüre durchaus viel versprechend, wie denn die Einspielung überhaupt orchestral ihre Meriten hat. Die getragenen Passagen erklingen mit sublimer spielerischer Kultur und feierlichem Ernst, die dramatischen mit den Emotionen des Zornes, der Rache und Eifersucht mit gebührendem Furor. Im Werk finden sich einige von Melchior d’Ardespin komponierte Tänze, wie jener der Thrakier am Ende des 1. Aktes, der der Kavaliere am Schluss des 2. oder der festliche Tanz der Soldaten zum Finale, die mit Delikatesse und rhythmischer Verve ertönen. Grandios die Trompeten, die beispielsweise den ersten Auftritt des Titelhelden glanzvoll und festlich ankündigen.

Alarico ist König der Goten, der vom Hauptmann der römischen Armee, Stilicone, besiegt, in dessen Palast aber freundschaftlich aufgenommen wurde. Stefania Maiardi ist mit dieser heroischen Titelrolle hoffnungslos überfordert, singt sie mit strengem Mezzosopran von knapper Höhe und jammerndem bis heulendem Ton. Sucht sie im Ausdruck die Vehemenz, klingt sie keifend und schimpfend (so in „Su su begl’occhi alteri“ gegen Ende des 1.Aktes). Beim nachfolgenden „Perdonatemi“ scheitert sie an der Tessitura, es liegt ihr eindeutig zu hoch. Das Finale des Aktes schließlich ist der traurige Offenbarungseid einer Sängerin in hilfloser Überforderung. Will man ein einziges positives Detail anmerken, so dieses, dass man den hysterisch vibrierenden Ton im letzten Aufzug als Ausdrucksmittel werten könnte. Noch schlimmer Guerino Pelaccia als Stilicone, der mit gequältem Tenor einen unbeschreiblichen Klangbrei produziert, mit den Koloraturen überfordert ist und einzig in den Rezitativen erträglich wirkt. Mit Semiamira, Königin von Thrakien, die Alarico liebt, hat er im 3. Akt ein Duett zu singen, das einen Tiefpunkt der Aufnahme darstellen dürfte. Denn auch Loretta Liberatos Gesang ist eine Prüfung. Mit ordinären Brusttönen versucht sie Effekt zu machen, lässt jaulende Koloraturen hören und ist mit ihrer Altstimme dafür ohnehin zu schwerfällig und holpernd. Den römischen Kaiser Honorio gibt Lee Ji-Young mit einem Mezzo, der zwar kein Gesicht hat, aber immerhin in der Stimmproduktion und im Vortrag eine solide Leistung erbringt. Ihre Arie im 2.Akt („Hor che mi torni“) singt sie ohne Tadel. Honarios Schwester Placidia, die von Alarico wegen ihrer Schönheit begehrt wird, ist mit der Sopranistin Won Mi-Jung Capilupi einer der wenigen vokalen Lichtpunkte der Aufnahme. Da hört man eine jugendliche Stimme von weichem, rundem Ton, die genügend Flexibilität besitzt für die Koloraturketten und damit keinerlei Mühe hat. Besonders klangvoll gelingt ihr „Dove mai“ im 2. Akt, das zudem mit tiefer Empfindung vorgetragen wird. Dann gibt es noch die römische Patrizierin Sabina, die Stilicone ehelichen soll, aber Honario liebt. Maria Carla Curìas herber Sopran heult sich zunächst larmoyant durch die Partie und kann erst im 2. Akt mit einem beherzt gesungenen „Han battaglia“ und beim wiegenden, von der Flöte lieblich umspielten „Palpitanti“ punkten. Sabinas Vater Pisone ist mit Luca Casagrande ein Besetzungsunglück der unglaublichen Art. Wie ein Laiensänger unter der Dusche säuselt, mauschelt und heult sich der Bariton durch die Partie – mit einer Stimme ohne Sitz und Kern, mit intonationstrübem, dumpfem, ersticktem Klang. Man kann diesen Auftritt nur als unfreiwillige Gesangsparodie werten. Zum Glück gibt es noch Marco Democratico, der als Honorios Sklave Lindoro für all die gesanglichen Qualen auf diesen drei CDs entschädigt. Mit seinem sonoren Bass von substanzreicher Tiefe und pointiertem, farbigem Gesang gelingt es ihm überzeugend, dieser buffonesken Figur des Stückes (in Leporello-Nähe) plastischen Umriss zu verleihen, indem er beispielsweise die Koloraturen als spöttisches Gelächter umsetzt. Man hat dieser Weltpremiere mit großer Erwartung entgegen gesehen und ist nun umso enttäuschter über die Veröffentlichung. Es hat wohl seinen Grund, dass CONCERTO erst jetzt die bereits 2004 von Centaur Records produzierte Oper herausbringt.

Bernd Hoppe

 

Agostino Steffani: Alarico il Baltha, cioè l’Audace, Rè de Gothi (Maiardi, Curìa, Ji-Young, Casagrande, Liberato, Capilupi, Pelaccia, Democratico; Scarlatti Camera Ensemble) CONCERTO CD 2039-3 (3 CD)