Halber Kunstgenuss

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Wer seine erste Bekanntschaft mit Leoš Janáček durch seine Oper Katja Kabanova machte, der vermeinte im Aufrauschen des Orchesters den gewaltigen russischen Strom Wolga, in dem sich die unglückliche Titelheldin ertränkt, seine Bahn ziehen zu vernehmen, aber ganz ähnlich hört sich der Beginn von Die Ausflüge des Herrn Brouček an, ein ganz anderes Thema und dazu eine Geschichte mit nicht  tragischem, sondern heiterem Ausgang. Auch ein aus der Ferne  tönender, geisterhafter Chor stellt eine Verbindung zwischen beiden Werken her. Es geht um den geizigen, übellaunigen Hausbesitzer gleichen Namens, dem der Schriftsteller Svatopluk Čech zwei Romane widmete, deren erster den Titelhelden auf den Mond entführte, während der zweite ihn nicht räumlich, sondern zeitlich versetzt in das 15. Jahrhundert, als in Böhmen Hussiten und Kaiserliche einander bekämpften.  Ausgangspunkt des Geschehens ist eine Prager Kneipe, in der Herr Brouček so fleißig dem Bier zuspricht, dass seine Phantasie beflügelt und die jeweilige abenteuerliche Reise erst möglich gemacht wird. Verflochten in das vielseitige Geschehen ist ein junges Liebespaar, dem Broucek zu Beginn die Wohnung kündigt, die er ihm, wohl durch seine Abenteuer geläutert, am Schluss doch wieder überlässt. Natürlich wird die einer Aufführung des Prager Nationaltheaters entnommene Aufzeichnung in tschechischer Sprache dem dieses Idioms unkundigen Hörer nicht gerade leicht zugänglich gemacht, denn es gibt lediglich einen digitalen Zugang zum Libretto in tschechischer und in englischer Sprache. So nützt die gute Diktion, der sich alle Mitwirkenden befleißigen, nicht wirklich etwas, eher schon die ausführlichen Inhaltsangaben in tschechischer und englischer Sprache im Booklet, die aber nicht wirklich eine Textverständlichkeit gerade auch bei einem so sehr dem einem ausgeprägten Parlandostil zuneigenden Werk ersetzen können. Lediglich dem Liebespaar, das nicht nur in der Rahmenhandlung, sondern auch auf dem Mond wie im Prag der Hussiten handlungstreibend präsent ist, werden lyrische Ergüsse gestattet. Die Titelfigur hat natürlich ihre großen Auftritte, ansonsten  ist jeder der Mitwirkenden mit der Darstellung jeweils dreier  Personen betraut, jeweils einer aus der Rahmenhandlung und zweier aus den Traum- oder besser Rauschhandlungen

Die Titelfigur wird von Jaroslav Březina mit durchdringendem Charaktertenor facettenreich und komiksprühend gesungen. Malinka und die entsprechenden Figuren Etherea auf dem Mond und Kunka im mittelalterlichen Prag finden in Alžbĕta Poláčková eine muntere Vertreterin mit warmem, geschmeidigem und ausgesprochen frisch wirkendem Sopran. Ihr Liebhaber ist als Mazal, Azurean und Petrik, der Sieger der von den Hussiten gewonnenen historischen Schlacht, mit herbem Tenor Aleš Briscein. Ein weiterer, hellerer und leichterer  Sopran wird mit dem von Doubravka Součková für drei jugendliche Herren eingesetzt. Das dunkle, schwere Fach vertritt František Zabradniček, auch Jiři Brückler (u.a. Svatopluk Cech) legt mit diesem viel Ehre ein, aber den meisten Gewinn zieht der nicht der Librettosprache  mächtige Zuhörer aus dem Wirken des Orchesters unter Jaroslav Kyslink, das die Musik, insbesondere auch in den Interludi  atmen, aufblühen und den Hörer verzaubern lässt.

Auf jeden Fall Appetit gemacht auf die bevorstehende Produktion der Staatsoper Berlin in dieser Saison unter Simon Rattle hat die Aufnahme dieser Oper, die mehr als die meisten anderen des Komponisten zum vollkommenen Kunstgenuss auch ihrer optischen Seite bedarf (Supraphon SU 4339-2). Ingrid Wanja