Grosses Kino

Nicht nur eine Oper in der Oper gibt es in Rufus Wainwrights Erstlingswerk Prima Donna, die Entstehungsgeschichte der CD selbst könnte schon Stoff für ein Musikstück liefern. Ursprünglich als Auftragswerk für die Met geplant, wurde es dort wegen des Bestehens des zweisprachig in Kanada aufgewachsenen Komponisten auf der französischen Sprache nie aufgeführt, sondern weit weniger spektakulär im Jahre 2009 in Manchester, danach noch in Toronto und Melbourne, die CD kam erst nach einem aufreibenden Spendenauftreiben bei der Deutschen Grammophon heraus. Der Komponist, vor der Uraufführung seiner zunächst als Einakter, dann um einen weiteren Akt erweiterten Oper als Singer, Songwriter und Mitwirkender an Filmmusik bekannt, schildert in bewegten Worten, wie verschiedene Ereignisse, so das Sehen des Interviews Lord Harewoods mit Maria Callas und die Krebsdiagnose der Mutter, das Entstehen der Oper beeinflussten, dass offensichtlich angezweifelt wurde, er habe die Instrumentierung selbst vollbracht und dass die Kritiken sehr unterschiedlich ausfielen.

Das Thema entspricht in etwa dem des Hollywood-Films Sunset Boulevard, handelt von einer alternden Diva, die ihr Comeback plant, nachdem ihr sechs Jahre zuvor bei einem schwierigen Duett beim hohen Ton die Stimme wegbrach. Nun fühlt sie sich bereit, sich wieder an die Partie der Aliénor von Aquitanien zu wagen, unterstützt von einem treu erscheinenden, aber sich als berechnend erweisenden Butler und einem Dienstmädchen. Ein Journalist soll mit einem Interview das Wiedererscheinen der Prima Donna auf der Opernbühne vorbereiten, verführt sie aber dazu, das Duett zu singen, wobei das gleiche Malheur geschieht wie vor sechs Jahren. Auch ein Traum oder eine Wahnvorstellung, in dem der Journalist ihr Tenorpartner in eben diesem Duett ist, bringt sie nicht davon ab, auf ihr Comeback zu verzichten. Der Butler verlässt sie, der Journalist, der sie geküsst hatte, erscheint mit seiner Verlobten, um sich ein Autogramm geben zu lassen. Die Diva bleibt allein zurück und betrachtet vom Fenster aus das Feuerwerk am Abend des französischen Nationalfeiertags 14. Juli.

Auf einem Foto im Booklet zeigt sich der Komponist als Verdi verkleidet, während sein Partner als Puccini auftritt. Dessen Musik, mehr noch die Massenets, scheint das Idiom Wainwrights beeinflusst zu haben, das im Zentrum des Werks stehende Duett aus der fiktiven Oper Alinéor  (á la Citizen Kane) erinnert stark an Berlioz´ „Nuit d’ivresse“, die Harmonik ist effektvoll, auch wenn das oft eigentlich nicht zur Handlung passen mag, ein musikalisch irrlichterndes Flimmern und Flirren durchzieht das gesamte Werk, das abgesehen von manchen Extremhöhen, die aber handlungsbedingt sind, sehr singbar ist. Der Vorwurf der Gefälligkeit dürfte nicht ausbleiben, nichts Bahnbrechendes, aber durchaus Brauchbares und dankbare Rollen, wenn auch an Kitsch und Klischee  gemahnend, kann der Hörer erwarten.

Die Partie der Madame Régine Saint Laurent wird von Janis Kelly gesungen, deren sonstiges Repertoire zwischen Despina und Marschallin angesiedelt ist. Der Sopran ist recht dunkel getönt, kann einen hysterischen Anstrich annehmen wie auch den Ausdruck des Entrückten. Marie, der mitfühlende Dienstbote, lässt im sehr hellem, unerweckt klingendem Sopran von Kathryn Guthrie nicht das Schicksal der von Mann und Kindern stark beanspruchten Frau aus dem Volk erkennen, er klingt oft gläsern klirrend und hat Probleme mit der Extremhöhe. Einen herben, hellen, etwas trockenen Tenor, der auch ätherisch klingen kann, hat Antonio Figueroa für den Journalisten André Letourneur, der Bariton Richard Morrison singt mit zunächst dumpfer, später im Schwelgen in Erinnerungen angenehm sonorer Stimme. Es gibt zwei stumme Rollen mit der Braut des Journalisten und einem weiteren Diener. Jayce Ogren leitet das BBC Symphony Orchestra und lässt es in üppigen Tönen schwelgen (DG 479 5340). Ingrid Wanja