Erneuter Rettungsversuch

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Herzens- und Schmerzenskind zugleich war dem deutsch-italienischen Komponisten Ermanno Wolf-Ferrari seine Oper Das Himmelskleid, die zwar bereits während des Ersten Weltkriegs komponiert, aber erst 1927 in München uraufgeführt wurde. Einerseits wollte der Komponist unbedingt der Schablone, Komponist komischer Opern zu sein, entfliehen, andererseits war aber trotz der Stabführung von Hans Knappertsbusch im Münchner Nationaltheater der Erfolg bei Publikum wie Kritik ein nur bescheidener. Wolf-Ferrari blieb für Feuilleton und Publikum der Schöpfer der Vier Grobiane oder der Quattro Rusteghi und von Susannas Geheimnis oder Il Segreto di Susanna, obwohl er immerhin dreizehn Opern komponierte. 1995 führte das experimentierfreudige Hagener Theater das Werk wieder auf, es erschien bei Marco Polo auch als Studioaufnahme, nun wieder bei Naxos mit einem Booklet auf Englisch und Deutsch (Libretto  als download verfügbar).

Das vom Komponisten verfasste Libretto stützt sich auf ein Märchen von Charles  Perrault und erzählt die Geschichte einer Prinzessin, die nur dem gehören will, der ihr die Kleider von Wind, Mond und Sonne beschafft. Nachdem 32 Bewerber bereits abgewiesen wurden, verliert sie ihr Reich, dessen Wohlstand und Gedeihen einem Bettler zu verdanken war, der ihren Vater wegen dessen Güte einst damit belohnt hatte. Nur in die Haut des goldenen Esels, eines Standbilds, gehüllt, irrt sie vertrieben von den Untertanen durch die Welt, während der letzte der Bewerber versucht, ihren Wunsch zu erfüllen. In allen drei Reichen, die er deswegen besucht, wird er zurückgewiesen, doch Prinz und Prinzessin  finden einander wieder und erkennen, dass sie das Himmelskleid durch ihre Liebe eigentlich bereits besitzen. Sie kehren in das wieder prosperierende Königreich zurück- und wenn sie nicht gestorben sind, dann….

Wenn dem Werk in den Zwanzigern der Erfolg versagt blieb, ist das sicherlich mit dem ideologiebefrachteten Text zu erklären, dem sehr langen zweiten Akt in Kinofilmausmaßen, der allein vom Prinzen und wechselnden himmlischen Gewalten in stets gleicher Besetzung bestritten wird. Die Musik ist höchst eingängig spätromantisch, die Instrumentierung raffiniert und ein Hochgenuss besonders in den  rein  instrumentalen, schillernden Passagen, derer es viele gibt. Für die Solisten wechseln sich Gesang und Deklamation miteinander ab,  erst der Schluss erscheint wirklich hochdramatisch.

Anspruchsvoll ist die Partie der Prinzessin, die mit Angelina Ruzzafante, einer Christina-Deutekom-Schülerin,  gut besetzt ist. Der Sopran verfügt über eine gute Diktion, ein leicht kindlich wirkendes Timbre für den ersten Akt, das fein abgedunkelt wird ab „bin nimmer froh“, die liebliche Stimme mit gutem Legato verbreitet viel dolcezza, verfügt über ein farbiges Parlando und kann im anspruchsvollen dritten Akt, in dem auch einiges an Höhensicherheit erwartet wird, mit den  Farben des Orchesters korrespondieren. Der Prinz ist der Tenor Sibrand Basa, dessen Stimme klar konturiert ist, der zunächst etwas larmoyant erscheint, aber im zweiten Akt, der ganz ihm gehört, seine Chance nützt und einen emphatischen Schluss singt. Sanft und warm ist der Mezzosopran von Anna-Maria Dur für die Mondfee, sonor Vertrauen einflößend der Bass von Sergio Gómez für Bettler und Prinz Gudolin, markant der Bariton von Stefan Adam für den Prinzen Korbinian  und präsent auch in der Mittellage der Tenor von Reinhard Leisenhammer für den Kanzler. Quirlig erscheinen die Damen, besonders wenn sie als Sonnenkinder eingesetzt werden. Das Orchester unter Gerhard Markson beweist, dass es nicht mehr Hauptstadt und Provinz, sondern nur gute und weniger gute Orchester gibt, und das aus Hagen gehörte damals zu ersteren (Naxos 8.660518-20, 2 CD). Ingrid Wanja