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Gelegentlich veröffentlicht das Label Château de VERSAILLES neben seinem reichen CD-Ausstoß auch Produktionen auf DVD. Jüngstes Beispiel ist die Aufführung von André Grétrys La Caravane du Caire aus dem Hoftheater von Versailles vom Juni 2023 – und fügt den reichlich vorhandnenen früheren Aufnahmen eine weitere hinzu. Das Opéra-ballet wurde 1783 auf Schloss Fontainebleau uraufgeführt und fand ein Jahr später auch den Beifall des Pariser Publikums. Die Turquerie folgt wie Mozarts Entführung ganz dem Zeitgeschmack, der orientalische Stoffe favorisierte. Die Handlung kreist um ein von Sklavenhändlern verschlepptes Liebespaar und dessen glückliche Rettung. Marshall Pynkowski inszeniert stilvoll im prachtvollen Dekor von Antoine Fontaine mit den luxuriösen Kostümen von Camille Assaf. Gemäß der barocken Tradition wird das Geschehen vielfach von Ballettszenen unterbrochen. welche Jeannette Lajeunesse Zingg im klassischen Stil choreografiert hat. Sie bezieht auch die Gesangssolisten in den Tanz ein, was besonders der Tenor Enguerrand de Hys als Eunuch Tamorin glänzend meistert. Auch gesanglich überzeugt er mit charaktervoller Stimme und glanzvollen Spitzentönen.
Das zentrale Paar geben Hélène Guilmette als Zélime und Pierre Derhet als Saint-Phar, die am Ende glücklich vereint sind. Gleich zu Beginn vereinen sie ihre Stimmen im Duo „Malgré la fortune cruelle“ – sie mit energischem Sopran und er mit jugendlich schmachtendem Tenor. Beeindruckend trumpft dieser am Ende des 2. Aktes in „Vas, vas, cruel“ auf. Der französische Bariton Jean-Gabriel Saint-Martin gefällt mit markig-auftrumpfender Stimme in der Doppelrolle des Sklavenhändlers Husca und französischen Kapitäns Florestan. Letzterer hat im 3. Akt eine heroische Ariette, „Ah! si pour la patrie“, in welcher der Sänger sein reiches Potential ausstellen kann. Der kanadische Bassbariton Robert Gleadow imponiert mit Nachdruck als Osman Pacha. Die französische Sopranistin Marie Perbost ist die Sultanin Almaide mit melancholischem Klang. In der Ariette „Je souffirais qu´une rivale“ im 3. Akt verkündigt sie aber auch entschlossen, ihren Rang zu verteidigen. Die drei Sklavinnen überzeugen in ihrem Auftritt eher durch Koketterie als stimmlichen Wohllaut: Lili Aymonino als Francaise, Chantal Santon Jeffery als Italienne und Lucie Edel als Allemande.
Die Musik vereint Elemente des französischen Barock mit dem kantablen Stil der italienischen Oper. Mit dem Ensemble Le Concert Spirituel wird Hervé Niquet diesem Anspruch souverän gerecht, sorgt für ein lebendiges Klangbild mit vielen orchestralen Finessen. Die aufwändige Ausgabe mit DVD und Blu-ray sowie einem umfangreichen Booklet, welches den Text in drei Sprachen präsentiert, ist ein Tipp für den Gabentisch (CVS114). Bernd Hoppe
