Das Ereignis der jeweiligen Saison waren die konzertant aufgeführten Wagner-Opern in der Philharmonie unter Marek Janowski, als er noch Chefdirigent des Berliner Rundfunk-Sinfonieorchesters war, sämtlich auf CD festgehalten vom Label Pentatone, das sich nun auch des Dirigenten Ausflug in den Verismo mit Puccinis Tabarro und Mascagnis Cavalleria Rusticana, im März 2019 mit der Dresdner Philharmonie aufgeführt, angenommen hat. Gleichermaßen von Regiekapriolen ermüdet bis angewidert, konnten sich Dirigent und Publikum am musikalischen Hochgenuss mit zum großen Teil auch hochkarätiger Sängerbesetzung erfreuen bzw. sich ungestört der Erzeugung desselben widmen.
Um es gleich vorwegzunehmen: Nicht die Sänger, sondern das Orchester sind das Phänomenale an der Aufnahme der Puccini-Oper. Die weit in die Gefilde des musikalischen Impressionismus reichende Partitur wird von der Dresdner Philharmonie wunderbar bis in die kleinsten Details ausgekostet, vermittelt gleichermaßen das aus der Ferne vernehmbare Großstadtleben wie die mühsam unterdrückten und schließlich ausbrechenden Gefühle der Protagonisten in einmal zarten Aquarellfarben und dann wieder in angemessen grellem Aufbrausen. Nie zuvor dürfte man die Partitur derartig schillernd und die Handlung kraftvoll ausmalend erfahren haben. Die Dresdner können höchste Erwartungen an kommende musikalische Ereignisse hegen.
Leider ist die Sängerbesetzung nicht auf dem gleich hohen Niveau wie die orchestrale. Man kann keinem der drei Protagonisten vorwerfen, sich nicht hinreichend für seine Partie einzusetzen, im Gegenteil, alle drei tun, zumindest was die Lautstärke betrifft, durchgehend zu viel, stehen unter Dauerstrom und lassen es an Nuancen mangeln.
Vokale Gewalt liegt von Anfang an bei dem Michele von Lester Lynch in der Luft, der im fast pausenlosen Dauerforte grob herrisch und fast bis zum Schluss ohne Differenzierung, zwar mit sicherer Höhe, aber auch mit schlimmen Vokalverfärbungen ( so bei „la pace è nella morte“) die akustische Oberhoheit über seinen Kahn und seine Gattin verteidigt. Mehr Kraftvolles als Verführerisches, von Italianità ganz zu schweigen, vernimmt man auch von dem Luigi von Brian Jagde, der seinem Arbeitgeber an vokal Auftrumpfendem in nichts nachstehen möchte. Melody Moore äußerst in sehnsüchtigen Crescendi Lebensgier und Liebesverlangen, klingt durchweg vollmundig, lässt die Höhen schön aufblühen, kann aber in der Extremhöhe auch schrill klingen. Alle drei sind auch die Protagonisten in Cavalleria, wovon es ebenfalls eine CD gibt.
Die kleineren Partien sind angemessen besetzt, die Frugola von Roxana Constantinescu kann sich besonders profilieren. Aber wäre nicht die Leistung des Orchesters unter Janowski so frappierend, könnte man diese CD „überflüssig“ nennen (Pentatone PTC 5186 773). Ingrid Wanja