Echter Verdi

Ein großartiges Unternehmen ist das der Opernfestspiele Heidenheim, die sich deswegen zu Recht mit einem großen roten OH! schmücken dürfen, sämtliche Opern Giuseppe Verdis in chronologischer Reihenfolge aufzuführen, wobei man in der Saison 2024 bereits bei Alzira, eingerahmt 2023 von Giovanna d´Arco und 2025 Attila und nun als CD auf dem Markt. Mit dem Inka-Drama nach Voltaire, aber ohne dessen Kolonialismuskritik und rein auf das Liebesdrama  reduziert, ist Alzira  das wohl unbekannteste Werk Verdis, das in Neapel bei der Uraufführung noch positiv aufgenommen, danach in Rom mit einem Achtungserfolg bedacht und in Mailand mit einem totalen Misserfolg abgestraft wurde.

Das innerhalb von vier Wochen komponierte und nur neunzig Minuten dauernde Werk spielt in Peru und handelt von der Rivalität zwischen dem Inkakönig Zamoro und dem spanischen Gouverneur Guzmano um die Liebe des Inkamädchens Alzira, folgt der „klassischen“ Gruppierung Sopran/Tenor gegen Bariton, aber mit dem überraschenden Schluss, dass Letzterer auf die Hand der Angebeteten verzichtet, das Zeitliche segnet und so dem Glück der Liebenden nicht mehr im Wege steht, wobei die Frage nach dem Schicksal des Inkavolkes völlig offen bleibt, ja nicht einmal gestellt wird. Das Stück könnte also überall und zu jeder beliebigen Zeit spielen. Trotzdem ist es auf jeden Fall anhörenswert, denn neben viel Umtata und Bandaklängen gibt es betörend schöne Stellen, so dass lange Duett zwischen Sopran und Bariton, das an das aus dem Troubadour erinnert, nur das an dessen Ende nicht der Sopran, sondern der Bariton den Tod wählt. Insgesamt allerdings bleibt die Titelheldin, zeitlich immerhin angesiedelt zwischen einer Giovanna und einer Odabella, recht uninteressant. 2026 wird man in der chronologischen Reihenfolge mit der Urfassung von Macbeth bleiben, und macht zusätzlich einen gewaltigen Satz zum Otello.

Die heiter-tänzerisch beginnende und damit das happy end vorwegnehmende Sinfonia wird von der Cappella Aquileia unter Marcus Bosch verspielt tänzerisch dargeboten, ehe die Faust des traurigen Inka-Schicksals dazwischen haut. Ebenso rasant wie das Orchester zeigt sich der auf Festivals stets sich bewährende Czech Philha rmonic Choir Brno und sorgt ebenfalls für Italianità. Der Star des Ensembles ist Ania Jeruc mit klarem, härtefreiem, geschmeidigem Sopran, der furchtlos die Intervallsprünge vollzieht und die Finali dominiert. Der Tenor Sung Kyu Park ist der Inkahäuptling Zamoro und stattet diesen mit einem eindringlichen „Ah! perchè non moro?“ und folgender rasant klingender Cabaletta aus. Die Höhe und die Phrasierung sind gut, dem Timbre fehlt es etwas an dolcezza und nobiltà, aber insgesamt ist dies eine beachtenswerte Leistung. Der Alvaro wird von einem Bass voll vokaler Autorität, dem von Marcell Bakonyi, verkörpert, Marian Pop ist der Gusmano mit eher Brunnenvergifter- als Nobelbariton, einen angenehmen Tenor hat Musa Nkuna für den Otumbo, Julia Rutigliano einen geschmeidigen Mezzo für Alziras Vertraute Zuma.

Man beginnt mit skeptischem Hören, das sich zunehmend in interessiertes und schließlich gebanntes wandelt: Der Beweis dafür, dass es sich um einen „echten“ Verdi handelt, ist erbracht und Coviello Classics dafür zu danken, ihn allgemein zugänglich gemacht und mit einem vorzüglichen Booklet versehen auf den Markt gebracht zu haben (Coviello COV92508). Ingrid Wanja