Dingsbums-Prinzessinnen

„Ich weiß, überhaupt nicht, was ich machen soll“, klagt das Mädchen. Es ist bei seiner Cousine „in Kairo mit den großen Pyramiden“ zu Besuch. Gestern verkleideten sie sich als Prinzessinnen, Cousine Amneris als ägyptische Prinzessin, sie selbst als Prinzessin, kaum kann sie das Wort aussprechen, aus Äthiopien, legten dann Ketten um die Haare, so wie, na ja, „Dingsbums-Prinzessinnen“ eben. Im alten Ägypten knarren und knirschen die Türen und es gibt „Wasser mit Zitrone“, als Aidas Vater kommt, um die die Tochter abzuholen. Doch Amneris will noch ein Spiel spielen. Ihr Vater kann ihr nichts abschlagen. Man bildet zwei Gruppen, Gefangene sollen genommen werden, und der Nachbarsjungen Radames, den Aida so sehr mag, macht in der Gruppe von Amneris mit, worauf Aida gar nicht weiß, wem sie nun die Daumen drücken soll, damit er den Granatapfelkuchen mit Honigschaum erringt. Aida wird gefangen genommen, sitzt im Schuppen und langweilt sich, bis sich Radames, es ist der ehemalige „Verbotene Liebe“-Schauspieler Luca Zamperoni, dem wir u. a. auch als Taumännchen, Sharpless und Pastia begegnen, sich endlich von der intriganten Amneris, die das kleine Cousinchen Aida ständig malträtiert, lossagt – „Mit so einer wie Du will ich nichts zu tun haben“. Als Strafe für seinen Verrat darf einen Tag lang keiner mit ihm spielen. Allein sitzt er am Nil-Fluss, aber Aida ist nicht abgereist. Alles ist gut. Über Giuseppe Verdis Oper wird nichts erzählt, auch nicht darüber, weshalb in einer unverständlichen Sprache gesungen wird. Darüber, „warum in der Oper eigentlich gesungen wird“, erzählt Christine Lemke-Matwey im Beiheft, „die Menschen auf der Bühne singen einfach, weil es Spaß macht. Wenn in der Oper alles zusammenkommt, der Text, die Musik, die Darsteller, Regie, Kostüme, Bühnenbild und Licht, dann kann das ein großartiger Genuss sein. Als würden sich die Türen zu einer fremden Welt öffnen.“

Mit relativ viel Musik (Ricco Saccani mit Dragoni und Johansson in Dublin 1994, wobei die Beihefte die Sänger ungenannt lassen) dauert der Blick in eine fremde Welt knapp 50 Minuten, etwas länger als die meisten der elf anderen Hörspiele, mit denen „Kinder ab 4 und die ganze Familie“ an Opern von Beethoven, Bizet, Humperdinck, Mozart, Puccini Rossini, Wagner, Weber und Verdi herangeführt werden sollen (www.zeit.de/shop). Ab 4 Jahre? Ob das so einfach geht?

„Aus jeder Oper haben wir die wichtigsten Musikstücke ausgewählt, die einen musikalischen Querschnitt zeigen; bedrohliche wirkende Passagen werden dabei nur in Ansätzen gespielt. Die Musikstücke passen inhaltlich zur jeweiligen Hörspielszene, in der sich fließend Sprechrollen sowie unterlegte und freistehende Musik abwechseln“, so der Herausgeber Bert Alexander Petzold vom Amor Verlag, „die Handlungen der Opern haben wir, wie auch bei Literaturverfilmungen üblich, gestrafft und mit Rücksicht auf die Lebenswelten der kleinen Hörer behutsam angepasst. Morde und Selbstmorde werden zu weniger tragischen Abschieden auf Reisen, aus einem blutigen Krieg wird ein Wettbewerb“. Ist das überzeugend? Die von Stefan Siegert Anfang der 1990er Jahre erdachte und immer noch fortgeführte Deutsche Grammophon-Reihe „Der Holzwurm der Oper erzählt“, in der Ilja Richter aus der Sicht eines Holzwurms und Silke Dornow als Motte durch die Welt der Oper führen, erscheint mir da ungleich innovativer und geistreicher, gewitzter und vielschichtiger. Und einfach besser als diese etwas betulichen und trotz ihrer scheinbaren Modernisierung altbackenen Hörspiele.

Und wieder ist ein Mädchen traurig, und zwar weil es sein geliebtes Land verlassen muss. Es lässt sich auch nicht von Freundin Brangäne trösten, die von einer Postkarte des Vaters berichtet. Glücklicherweise ist da Matrose Tristan, in den sich Isolde verliebt. Der alte Mann, den sie heiraten soll, ist darüber böse, „Ihr beiden seid für mich gestorben“. Doch Isolde und Tristan wissen, „wir werden für immer zusammen sein!“. Als weiße Sterne leuchte sie schließlich, „so hell, so wunderschön“. Und alle freuen sich, „sie sind sie wirklich für immer zusammen“. Die Musik dazu stammt aus Leif Segerstams Stockholmer Aufnahme von 2004.

Und so geht es weiter: „Alle lieben Carmen. Die verzweifelt an ihrem störrischen Hengst, den sie seit Wochen vergeblich trainiert. Carmen will ihr Problem lösen, doch nur mit Hilfe des Stallburschen José kann Carmen ihren waghalsigen Plan verwirklichen“ (Alexander Rahbari, 1990 Bratislava). Das Kurtisanenstück La Traviata geht so: „Violetta liebt Geburtstagsgeschenke, und ihre Partys sind die besten in ganz Paris“ (Alexander Rahbari, Bratislava 1990). Und Madama Butterfly so, „Die schöne Cho-Cho-San arbeitet als Kellnerin im Teehaus. Dort trifft sie den sympathischen Amerikaner Pinkerton“ (Günter Neuhold, Bremen 1990). Klar, dass Leonore und Florestan „durch die Gassen Sevillas stromern“, der Barbier von Sevilla „ein Hansdampf in allen Gassen ist“ und Max mit der Försterstochter Agathe auszugehen beabsichtigt.  Ach ja….

R. F.