Viktor Ullmanns 1943 in Theresienstadt entstandene Oper Der Kaiser von Atlantis wurde im Lager für eine Aufführung im folgenden Jahr vorbereitet, die dann verboten wurde. Am 16. Oktober 1944 wurde Ullmann nach Auschwitz transportiert, wo er wahrscheinlich gleich nach seiner Ankunft ermordet wurde. Erst mehr als 30 Jahre später gelangte Das Spiel in einem Akt zur Uraufführung, diese Fassung aus dem Jahr 1975 wich allerdings „so stark vom Autograph ab, dass sie als eine Bearbeitung zu klassifizieren ist“. Ullmanns Oper war erhalten geblieben, weil er seine Manuskripte, so auch das Autograph des Kaisers, einem Freund überließ, der den Krieg überlebte. Bereits bei der Aufnahme in der Reihe Entarte Musik der Decca heißt es, „In den zahlreichen Änderungen spiegelt die eigenhändige Niederschrift der Partitur ein „work in progress“; eine Fassung letzter Hand lässt sich nicht eindeutig erkennen… Jede Herstellung einer Aufführungspartitur zwingt den Kompilator bei der Festslegung von Einzelheiten immer wieder zu eigenen editorischen Entscheidungen“.
Bei dieser Frage knüpft die von Facundo Agudin mit dem Orchestre Musique des Lumières für eine Tour 2014 und 2015 in Frankreich gestaltete Aufführung an, deren Ausgangspunkt die wissenschaftliche Studie von Agudin, Pablo Kornfeld, Lisandro Abadie und Louise Moaty in der Sacher Foundation in Basel bildet, die die Zusammenarbeit von Ullmann und seinem ebenfalls in Auschwitz ermordeten Textdichter Gideon Klein untersucht (ibs classical 32018). Im spanisch-englisch-französischen Beiheft (dazu ein viersprachiges Textheft) wird auf einige Beispiele abgehoben, die den Wissenschaftler interessieren, mich irritierte die Aufführung durch ihre durchgehend schlechte Textverständlichkeit, die mäßige Qualität der Sänger, denen man andererseits anmerkt, dass sie ihre Erfahrungen aus den Live-Aufführungen einbringen. Sie klingen leidenschaftlich, expressiv, nehmen Scharten und Schrammen hin: das passt zum Stoff, zur Zeit. Mir sind aber Franz Mazuras hintergründiger Lautsprecher unter Lothar Zagrosek lieber als der viel kraftstrotzendere, lautere 2016 verstorbene Wassyl Slipak bei Agudin, der operettenleichte, feine Harlekin von Herbert Lippert – der auch den Soldaten singt – als Sébastien Obrechts vergleichsweise unbedeutendes Gegenüber unter Agudin. Iris Vermillion ist dezidierter als die pathetische Anna Wall als Trommler, die Haydns Kaiserhymne allerdings nachdrücklich betont. Man hört sich langsam in das schlechte Deutsch ein, so dass diese überbordende, exaltierte, aufrüttelnde Aufführung, die den wilden Songstil der 1920er Jahre scharf anschneidet und die mannigfaltigen musikalischen Anspielungen herausmeißelt, mit allen Vor- und Nachteilen als Dokument einer erfolgreichen Aufführungsserie bestehen kann. Außerdem dabei Pierre-Ives Pruvot als Kaiser, Natalie Pérez als Bubikopf. Rolf Fath