Bedächtig heiter

 

Die 1903 in München erstaufgeführte Oper Die neugierigen Frauen sollte ursprünglich in Ermanno Wolf-Ferraris Heimatstadt Venedig als Le donne curiose ihre Premiere feiern. Als sich dies zerschlug wurde das auf einer Komödie Carlos Goldonis basierende italienische Libretto von Luigi Sugana durch Hermann Teibler schnell übersetzt (schon damals wurden Schwächen und Stilblüten der Übersetzung bemerkt) und dann in der Wahlheimat des Komponisten im Cuvilliés-Theater gespielt. Die Oper war für Wolf-Ferrari ein Durchbruch und verhalf ihm zur Weltkarriere. Ein Kritiker beschrieb ihn „als lang ersehnten Retter …, der uns in Tönen lachen lehrt„. Die italienischsprachige Premiere durch Arturo Toscanini erfolgte 1912 in New York an der MET. Die deutsche Version liegt bei dieser 2011 entstandenen Live-Aufnahme (entgegen den Gewohnheiten von cpo sonst, was sich wie stets auszahlt, live ist eben lebendiger als kaltes Studio) aus dem Münchener Prinzregententheater von cpo vor. Wolf-Ferrari wurde schnell auf die Wiederbelebung der Opera buffa festgelegt, der veristisch anmutende Sly und die Legende Das Himmelskleid hatten weniger Erfolg. Die neugierigen Frauen war die erste von acht Opernkomödien, fünf davon entstanden nach Stücken Goldonis.

Die Handlung der Oper ist eher einfacher Natur: Frauen wollen erfahren, was ihre Männer in einem neu gegründeten Club treiben, zu dem sie keinen Zutritt haben. Vergnügen sie sich mit anderen Frauen oder verspielen alles beim Glücksspiel? Die Antwort ist dann auch relativ reizlos: sie essen gemeinsam. Als Komödie taugt die Handlung nur bedingt und so gerne man auch diese sorgfältige Einspielung loben will, ansteckende Heiterkeit will sich nicht durchsetzen. Musikalisch gibt es eine komische und eine lyrische Sphäre, Parlando und Parodie neben innigen Kantilenen.

Dirigent Ulf Schirmer und das Münchner Rundfunkorchester spielen engagiert und überzeugend, die bedächtig beginnende und zurückhaltend heitere Ouvertüre gibt einen guten Vorgeschmack auf diese in dieser Aufnahme oft wie eine Kammeroper wirkende Schöpfung. Die Musik von Wolf-Ferrari wirkt mitunter zart und sachte, liebenswürdig und von Sauberkeit strotzend, empfindsam, doch ohne doppelten Boden oder Spontanität und gelegentlich blutleer und manchmal fast würdevoll behäbig. Man vermisst das Vorwärtstreibende in dieser Buffa, die Zuspitzung einen Rossini’schen Finale I oder das instrumental Aufregende moderner Barockeinspielungen. Neben den individuellen Figuren und einem verliebten Paar treten typische Figuren der italienischen Commedia auf wie Colombina, Pantalone und Arlecchino. Überhaupt ist die Anzahl der Einzelrollen fast verwirrend hoch: 18 Sängerrollen, sind zu besetzen, das Zuhören ohne das Zusehen erscheint ein wenig als ein defizitäres Vergnügen. Den besten Eindruck von Wolf-Ferraris Oper und dieser Aufnahme kann man vielleicht am Ende des zweiten Akts erhalten: Rosauras Auftritt „Doch sie wirft mir meine Neugierde vor“ mit dem folgenden Duett zwischen Florindo und Rosaura und Florindos „Ach, ihr zerreißt mir mein armes Herz“ zeigen den Komponisten von seiner starken Seite. Die dänische Sopranistin Agnete Rasmussen als Rosaura und Tenor Andreas Weller als Florindo beweisen, was Wolf-Ferraris Figuren zu bieten haben. Ebenso hoch engagiert singen auch die anderen Mitwirkenden, z.B. Mezzo Kathrin Göring als Beatrice, Violetta Radomirska als Eleonora, Jörg Schörner als Leandro und Bassist Jürgen Linn als Ottavio, Viktorija Kaminskaite als Colombina, Kay Stiefermann als Pantalone und Hans Christoph Begemann als Arlecchino sowie die Mitglieder des Madrigalchores der Hochschule für Musik und Theater München. Eine verdienstvolle Aufnahme, aber der Sog und die Begeisterung für dieses Werk stellen sich doch nicht ein: Den Erfolg zu Beginn des letzten Jahrhunderts lässt diese verdienstvolle Aufnahme nicht wieder aufleben. (2 CDs, ca 117 Minuten, CPO777739). Marcus Budwitius