Barroca española

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GLOSSA veröffentlicht auf zwei CDs eine barocke Zarzuela mit dem rätselhaften Titel Donde hay violencia, no hay culpa von José de Nebra (GCD 923535). Das Stück wurde 1744 in Madrid uraufgeführt und verbindet Elemente der italienischen Oper mit spanischer Folklore. Die Handlung von Wo es Gewalt gibt, gibt es keine Schuld führt nach Rom um 509 v. Chr., wo König Tarquinius Krieg gegen die benachbarten Völker des Rótulo führt. Das Heer führt Feldherr Colatino an. Dessen Frau Lucreta leidet unter den Nachstellungen des Prinzen Sextus, Sohn des Tarquinius, der mit Colatinos Schwester Tulia verlobt ist. Der feindliche König Lelio will sich unterwerfen und mit seiner Schwester Octavia nach Rom kommen. Tarquinius beschließt, Sextus statt mit Tulia mit Octavia zu verheiraten. Dieser lehnt wegen seiner Leidenschaft für Lucreta die Ehe ab. Sie jedoch fleht ihren Mann Colatino an, ihre durch den römischen Prinzen befleckte Ehre zu rächen, und nimmt sich das Leben. Während der Hochzeit von Sextus und Octavia kommt es zu einem Volksaufstand, der die Vertreibung von Tarquinius und Sextus bewirkt.

Die Aufnahme mit dem Ensemble Los Elementos unter Alberto Miguélez Rouco entstand Ende 2021 im schweizerischen Riehen. Der Dirigent sorgt schon in der dreiteiligen Einleitung für starke Kontraste, lässt auf die martialische Fanfarria die muntere Sinfonia folgen und endet mit einem sanften Andante Majestuoso. Auch später setzt er immer wieder spannungsreiche Akzente. Der Chor, gebildet aus den Solisten der Einspielung, eröffnet mit einem Cuatro („A la gran deidad de Marte“) das Geschehen mit feierlichem Gesang. Eine lebhafte Seguidilla folgt, in der drei der insgesamt vier Solisten auftreten – Alicia Amo (Sopran) als Lucrecia, Giulia Semenzato (Sopran) als Tulia und Judit Subirana (Mezzosopran) als Laureta. Das erste Solo fällt Lucrecia mit der AriaHado infiel“ zu, die sie lebhaft und kokett serviert. Stürmisch kommt ihre Aria „Mi fiera mano airada“ im zweiten Teil daher. Das Solistenquartett komplettiert die Mezzosopranistin Natalie Pérez als Colatino und lässt in dessen Coplas „Espera, detente“ eine warme, sensible Stimme hören. In der Aria „Falta de gruta obscura“ hat die Sängerin Gelegenheit, von Trompetengeschmetter begleitet, energisch aufzutrumpfen. Tulias erstes Solo ist die wiegende Aria „Que contenta el alma mia“, die sie mit klarem, hellem Ton singt. In großem Kontrast dazu steht ihre Aria im zweiten Teil, „Ya, afecto mio“, Affekt betont und von stampfendem Rhythmus. Laureta folgt mit „Se ve uno y otro  amante“, in welches sie hintergründige Nuancen einbringt. Die Jornada primera beendet eine Aria a 3, „Muera un injusto aleve“, mit Tulia, Lucrecia und Colatino von festlichem Zuschnitt.

Auch die Segunda Jornada wird von einer Fanfarria eröffnet, gefolgt vom feierlichen Cuatro „Apacible Himeneo“ des Chores. Spätestens bei der nächsten Nummer, der rasanten Seguidilla „Siento en el pecho un dispid“, zu der sich die Stimmen von Lucrecia und Colatino vereinen, fühlt man sich in Spanien angekommen, was der temperamentvolle Rhythmus und die Kastagnetten-Begleitung belegen. Mit zwei festlichen Cuatros („De Himeneo halagüeño“) beendet der Chor das Werk.

Im Anhang finden sich Auszüge aus späteren Fassungen der Zarzuela – von 1748 und 1753. In der ersteren findet sich eine Seguidilla von Octavia, die in der eingespielten Version von 1744 als Person stumm bleibt. „Los halagos se mezclan“ lässt freilich südliches Temperament vermissen und gibt sich eher schwermütig (02. 112. 22) Bernd Hoppe