Achtungserfolg aus Wien

 

Platée, eine lyrische Komödie („ballet bouffon“) von Jean-Philippe Rameau mit einem Libretto von Adrien-Joseph Le Valois d’Orville, besteht aus einen Prolog und drei Akten und wurde am 31. März 1745 in Versailles uraufgeführt. Das Werk fand erstmals wenig Erfolg, erst neun Jahre später mit einer Wiederaufnahme des Werkes erlebte es einen Triumph. Dann verschwand die Komposition aus dem Repertoire bis zu einer Wiederentdeckung im Mitte des 20. Jahrhunderts, dank einer Produktion des Aix-en-Provence Festspiels im 1956.

Es gibt nur eine kleine Auswahl von Aufnahmen auf dem Markt: u.a. eine aus der obengenannten Aufführung von Aix-en-Provence unter der Leitung von Hans Rosbaud, sowie eine von Marc Minkowski, die 1990 veröffentlicht wurde. Eine kürzlich erschienene Aufnahme von Les Arts Florissants mit dem Arnold Schoenberg Chor unter der Leitung von William Christie wurde im Theater an der Wien in Dezember 2020 aufgenommen (Harmonia Mundi,  HAF890534950). Es handelt sich um eine Live-Aufführung ohne Publikum, die sehr klar, frisch, lebendig, detailliert und warm klingt.

Bedauerlicherweise kann Christies Aufnahme der Platée nur eingeschränkt empfohlen werden, obwohl es viele positive Eigenschaften, insbesondere das ausgezeichnete Barockorchester, hat. Die Verpackung scheint eher ein Souvenir der Bühnenproduktion als eine ernsthafte Audioaufnahme von Rameaus Werk. Als Beispiel könnten die vielen Fotos von der Inszenierung, die nicht für eine Audioaufnahme relevant sind (für eine DVD-Video hätten sie mehr Sinn), mit ausführlichen Kommentar und ein paar Bildern der ursprünglichen Interpreten und Veranstaltungsorte, in denen Rameau dieses Werk aufführte, ersetzt werden.

Ein vollständiges Libretto im französischen Original mit Übersetzungen ins Englische und Deutsche ist erfreulicherweise im Textheft zu finden. Der Aufsatz von Lionel Esparza bietet Hintergrundinformationen zur Oper an, aber das Interview mit Christie gibt mehr Auskunft über seine persönlichen Erfahrungen als über die Komposition selbst (es beginnt mit der Frage, ob ihm das Stück wirklich gefällt). Als renommierter Rameau-Experte, hätte Christie einen eigenen wissenschaftlichen Aufsatz über das Werk verfassen können. Er deutet an, dass eine Mischung von Ausgaben (der Uraufführung und der Wiederaufnahme) verwendet wurde, aber weitere Einzelheiten zu den getroffenen Entscheidungen wären wünschenswert. Weiterhin wäre es hilfreich, die Schlussszene, die Rameau für die Wiederaufnahme komponierte, in einem Anhang zu haben, um die beiden Fassungen vergleichen zu können.

Die Sängerbesetzung ist für dieses Repertoire gut, allerdings gibt es den Eindruck, dass sie durch Konzentration auf die Inszenierung von der Musik abgelenkt werden. Die namensgebende Rolle ist mehr als ein lächerlicher, eitler Charakter, sie hat Gefühle und wird manipuliert, um zu glauben, dass Jupiter sie wirklich liebt. Am Ende wird sie gefühllos zurückgewiesen, verhöhnt und erniedrigt, ohne dass sie dafür entschädigt oder ihr erklärt wird, warum sie missbraucht wurde. Daher würde eine komplexere Darstellung von Platée besser zum wiederholten Hören passen als die eindimensionale Charakterisierung auf dieser Aufnahme (vielleicht könnte Marcel Beekman auf der Bühne als Schauspieler überzeugen, aber seine stimmlichen Manierismen sind nervig).

Insgesamt ist dies ein lohnender Beitrag zur winzigen Diskographie der Platée-Aufnahmen, aber es lässt mehrere Wünsche offen und gilt als eine Fallstudie, die veranschaulicht, warum eine Audioaufnahme anders als eine Bühnenproduktion konzipiert werden muss. Die Kenntnis von Rameaus Musik ist wichtig, um einen umfassenden Überblick über die Entwicklung des Musikdramas im 18. Jahrhundert zu gewinnen. Mit einigen Verbesserungen könnte diese Aufnahme als Referenz für dieses Schlüsselwerk gelten und, hoffentlich, könnte Harmonia Mundi sie wiederveröffentlichen mit einem Ansatz, den ich oben angedeutet habe. Daniel Floyd

 

Jean-Philippe Rameau: Platée, mit Marcel Beekman, Jeanine de Bique, Cyril Auvity, Marc Mauillon, Edwin Crossley-Mercer, Emmanuelle de Negri, Emilie Renard, Arnold Schoenberg Chor, Les Arts Florissants, William Christi; harmonia mundi 2 CD  HAF890534950